VOM RAUSCHEN DER KANÄLE 205 bedingte Charakter ist dahin.“1 Was dem D-70 zum einen zum Vorteil gereicht, die durch die technische Optimierung der Hardware erzielte Reinheit der Klänge, wird im gleichen Satz schon wieder in Frage gestellt dergestalt, als daß die spezifische Klangcharakteristik des Vorgängermodells vermißt wird. Dazu muß man wissen, daß der hier zum Vergleich herangezogene Synthesizer D-50 zum Zeitpunkt seiner Einführung mit einem innovativen - allerdings noch nicht technisch voll ausgereif-ten - Klangerzeugungsprinzip ausgestattet war, der aber trotz seiner bekannten Mängel in aller Eile auf den Markt geworfen wurde, um dem damals marktbeherr-schenden Konkurrenzprodukt - dem DX-7 von Yamaha - etwas annähernd Gleichwertiges gegenüberstellen zu können. Doch die Eile hatte ihren Preis: Er rauscht in einem ganz beträchtlichen Umfang. Dieser nicht zu überhörende Rauschanteil, in dem manch einer, aufgrund der Intensität, schon scherzhaft eine eigenständige Klangquelle vermutete, war es jedoch, der vielen Klängen ihre Un-verwechselbarkeit verlieh. So sei als Beispiel der eine japanische Flöte nachemp-findende Klang „Shakuhachi“ des D-50 genannt, welcher infolge eines permanen-ten störungsbedingten Grundrauschens eine ganz eigene Qualität erhält, was die Erinnerung an das zum Vorbild genommene Instrument zwar nicht auslöscht, bei dem sich aber die Materialität des klangerzeugenden Instrumentes mit in den Klang einschreibt. Das Nachfolgemodell kann, infolge besserer Bausteine und ver-kürzter Rechenzeiten, mit solchen qualitäts- oder besser individualitätserzeugenden Defiziten nicht mehr aufwarten. Es ist der Frage nachzugehen, warum eine Verbesserung der Klangqualität eine Minderung der individuellen Klangcharakteristik nach sich ziehen kann. Rauschen und Nutzsignal sind, wie aus der Einführung schon bekannt, prinzipiell der glei-chen Emergenzebene zuzuordnen. Für den Musikrezipienten macht es keinen Un-terschied, ob das dem Klang beigemischte Rauschen ungewollt hinzugefügt wurde oder nicht, er identifiziert das Rausch/Musiksignal als ein zusammengehöriges. Das in einem bestimmten Umfang verrauschte Signal ist nicht Flöte und Rauschen, sondern etwas neues, anderes, eine unbekannte sich aus beiden Komponenten er-gebende Mischung. Und damit wird sie interessant, erhält eine eigene wiederer-kennbare Charakteristik. Das heißt, es wird nicht ein Nutz- und ein Störsignal, son-dern eine einzige musikalische Information empfunden. Während bei diesem neu synthetisierten Klang der Anteil der Flöte geprägt ist von Redundanz, weil sich in ihr ein bekanntes Instrument spiegelt, wodurch die Wiedererkennung des Klanges möglich ist, enthält der Anteil des Rauschens für den Rezipienten einen erhebli-chen, gleichwohl nicht mehr zu durchschauenden Neuigkeitswert, was auch mit der gleichwahrscheinlichen Verteilung der anteiligen Frequenzen zusammenhängt. Zur Verdeutlichung dieses Sachverhaltes sei an das weiße Rauschen erinnert. Das weiße Rauschen ist ein Geräusch, das alle Frequenzbänder des Hörbereiches mit gleicher Amplitude abdeckt. Das Vorhandensein aller Frequenzen ist gleich-wahrscheinlich und damit ist die Vorhersage, welche Frequenz evident ist oder nicht, nicht zu leisten. Das weiße Rauschen „ist das Urbild eines idealen, voll- 1 Gorges, Peter: Testbericht über den Roland Synthesizer D-70. In: Keyboards 6/90, S. 122