MUSIKMASCHINEN 206 UND KLANGFINDUNG kommenen Geräusches, dessen einziges Kennzeichen seine perfekte Unordnung ist.“1 Fehlende Gestalt sagt also noch nichts darüber aus, ob ein Geräusch Informa-tion oder Störung ist. So kann jenes „Urbild des idealen vollkommenen Geräu-sches“ mit dem der absoluten, der maximalen Information in seiner Erscheinung identisch sein. Die maximale Information ist gekennzeichnet durch ihre absoluten Unvorhersehbarkeit; das Ergebnis fehlender „Form“ (Moles) und Redundanz, also das Ergebnis einer nicht wahrnehmbaren Ordnung, welche sich gleichwohl als „perfekte Unordnung“ darstellt. Damit ist das maximale Störgeräusch, das das weiße Rauschen ist, dem der maximalen Information, was Gestalt- und Formlosig-keit betrifft, gleichgestellt. Daraus schließt Kittler: „Daß das Maximum an Infor-mation nichts anderes besagt als höchste Unwahrscheinlichkeit, macht es aber vom Maximum an Störung kaum mehr unterscheidbar.“2 Aufgrund fehlender Struktur und Form, die Ableitungen und Voraussagen erlauben würden, ist beiden Signalen - der maximalen Störung und der maximalen Information - gemeinsam, daß vom vorangegangenen Augenblick nicht auf den zukünftigen geschlossen werden kann „Was wenig wahrscheinlich ist, kann man nicht vorhersehen, was sicher ist, ist vorhersehbar.“3 Ob ein Signal schließlich als Störung (Rauschen) oder als gewoll-tes Signal - als Information - empfunden wird, ist eine Frage der Intentionalität. Solange ein potentieller Empfänger nicht darüber informiert ist, wie eine maximale Information zu decodieren ist, stellt sich diese für ihn schlicht als Geräusch oder Störung dar. Für ihn sind alle Informationen gleichwahrscheinlich, da sich in der perfekten Unordnung ihm keine Struktur offenbart, was ihn gegenüber dieser In-formation eine gleichgültige Haltung einnehmen läßt. Wenn Rauschen sowohl Störung als auch Information sein kann, so wird ein-sichtig, daß es grundsätzliches Ziel ist, die unbeeinflußbare Störung so weit als möglich zu minimieren, einerseits, um die auf Intentionalität beruhende Differenz zwischen beiden Signalen kenntlich zu machen, was einen potentiellen Empfänger in die Lage versetzt, zwischen beiden Signalen zu unterscheiden, andererseits, um den selbst erzeugten Signalstrom möglichst der persönlichen Vorstellung gemäß realisieren zu können. Festzuhalten bleibt, daß Rauschen Information sein kann und daß Informations-ströme oder Nachrichtensignale mit zunehmender Komplexität immer schwerer vom intentionslosen Rauschen zu unterscheiden sind; ein Ergebnis jener beiden gemeinsamen Strukturlosigkeit ist. „Mit anderen Worten: Signale üben tunlichst Mimikry an Störungen“4, was natürlich nicht nur für die Klanggenerierung von Synthesizern gilt, sondern ganz allgemein für die Übertragung jedweder Informati- 1 Moles, Abraham A.: Informationstheorie und ästhetische Wahrnehmung, a.a.O., S. 118 2 Kittler, Friedrich: Signal-Rausch-Abstand. In: Gumbrecht, Hans-Ulrich/ Pfeiffer, Karl Ludwig (Hg.): Materialität der Kommunikation, a.a.O., S. 344 3 Moles, Abraham A.: Informationstheorie und ästhetische Wahrnehmung, a.a.O., a.a.O., S. 32 4 Kittler, Friedrich: Signal-Rausch-Abstand. In: Gumbrecht, Hans-Ulrich/ Pfeiffer, Karl Ludwig (Hg.): Materialität der Kommunikation, a.a.O., S. 344/345