MUSIKMASCHINEN 208 UND KLANGFINDUNG ten von Medienvorschriften. Und so wird nun auch verständlich, warum das Rauschen des D-50 immer auch Informationswert hat und nicht ausschließliches Störgeräusch ist, da es ja lediglich eine Frage der Bedeutungszuweisung und der der Interpretation ist, welcher Seins-ebene jenes Rauschen zugeordnet ist. Unter dem Blickwinkel der maximalen In-formation ist jenes D-50 Rauschen für sich genommen, aufgrund seiner Gleich-förmigkeit und seiner Unvorhersehbarkeit, für den Rezipienten zunächst einmal schlicht nicht lesbar. Es ergibt sich ein so hoher Neuigkeitswert, der den Rezipien-ten, infolge fehlender Decodierungsmöglichkeiten, diesem gegenüber eine gleich-gültige Haltung einnehmen läßt. Es bedarf also bekannter Strukturen - redundanter Formen -, um der maximalen Information, einen Informationswert abgewinnen zu können. Was vorhersehbar ist, ist geprägt von Redundanz. Redundanz ist notwen-dig, um einer Information Bedeutung abzugewinnen. Und jenes notwendige Maß an Redundanz liefert der bekannte Flötenton. Aus der Addition beider Signale, dem bekannten redundanten und damit mäßig interessanten Flötenklang und dem ständig neue Signale liefernden Rauschen, das der Rezipient als Information fehlinterpretiert, ergibt sich dann eine Mischinforma-tion - eine interessante, musikalische Information. Die Gleichgültigkeit des Rezipi-enten aber gegenüber dem nicht Vorhersehbaren und dem absolut Vorhersehbaren verliert sich infolge der Mischung eines bedingt Vorhersehbaren. Das Ergebnis ist ein innovativer Musikklang. Diese Mischung aus Ordnung und Chaos bestimmt seit jeher alle ästhetischen Prozesse und ist notwendige Voraussetzung, um Inte-resse zu wecken und die Aufmerksamkeit von Rezipienten auf sich zu ziehen. Da-rauf verweist auch Herbert W. Franke, wenn er feststellt, „daß weder die hundert-prozentige Ordnung ein interessant zu nennendes Kunstwerk hervorbringt, noch das völlige Chaos, sondern das Optimum liegt irgendwo in der Mitte, was man auch quantifizieren kann. Es ist eine Art Gleichgewicht zwischen den verschiede-nen Ordnungen des Gesetzlichen und der Innovation.“1 Das Hören eines aus Ordnung und Chaos gebildeten und dadurch charakteristi-schen Klanges versetzt den ambitionierten Musiker in die Lage, die Ursprungs-quelle zu lokalisieren bzw. zumindest das Spezifische des Klanges gegenüber an-deren zu beschreiben. Die fortschreitende Entwicklung nunmehr macht dieses nicht zu beeinflussende Rausch- und Klangpotential zunichte, weshalb das von Franke postulierte „Gleichgewicht“ auch im Begriff ist, aus dem Lot zu geraten. Ganz fraglos stellen Synthesizer seit jeher Rauschgeneratoren zur Verfügung, die einem jeden Klang ein Rauschpotential stufenlos zuzumischen erlauben. Und auch in neueren Synthesizern wie dem Yamaha SY 99 wird teilweise Samplematerial in-tegriert, dem ein nicht unerhebliches klangstiftendes Rauschpotential von vornhe-rein beisteuert wird. Dabei sind zum Teil schon vorhandene Rauschanteile von Samples des Vorläufermodells (SY-77) absichtlich noch vergrößert worden, so 1 Franke, Herbert W.: Der Monitor als Fenster in einem unbegrenzten Raum. Ein Ge-spräch. In. Rötzer, Florian (Hg.): Digitaler Schein, a.a.O., S. 286