MUSIKMASCHINEN 210 UND KLANGFINDUNG die Belanglosigkeit der zur Verfügung gestellten Klänge aus. Eben nichts anderes als jene sattsam bekannten Pianoklänge und jene Streich/Blas/Pfeifabteilung ge-nannten Klangbänke, mit denen heute fast jeder Synthesizer vom Werk aus ausge-stattet wird, sind vorzufinden und welche zwischen den Synthesizern einer Preis-klasse austauschbar sind, ohne daß auch nur ein Konsument diesen Austausch re-gistrieren würde. Die Materialität des generierenden Geräts verflüchtigt sich mit einer jeden Ma-ximierung der Bitzahl, mit der Synthesizer arbeiten. Dabei wird eine immer größe-re Annäherung an das reale Klangvorbild geleistet, was es - vom Standpunkt der reinen Klangbeurteilung - schließlich gleichgültig macht, welche Synthesizer ge-nutzt wird. Es ertönen Klänge, die dem zum Vorbild genommenen Klang immer ähnlicher werden und dabei den Synthesizer immer indifferenter erscheinen lassen. Diese Tendenz zur Indifferenz wird fortgeschrieben, da mittlerweile immer mehr Synthesizer den Austausch von Basissamples erlauben. MIDI-Sample-Dump und immer großzügiger ausgelegte Sample-RAM-Speicher ermöglichen den Transfer der fixierten Klangvorbilder vom Synthesizer der Firma X zu dem der Firma Y, so daß moderne Synthesizer nicht mehr nur hervorragende saubere - das heißt nahezu rauschfreie - Ergebnisse zur Verfügung stellen, sondern gleichzeitig auch die Mög-lichkeit gleicher Basisklänge erlauben, die Unterschiede - soweit noch vorhanden - zwischen den einzelnen Gerätetypen weiter nivellieren helfen. Was Herstellerfirmen aufgrund von Nachlässigkeit und produktionsbedingter Mängel Synthesizern womöglich noch an klanglicher Individualität belassen ha-ben, ist von Konsumenten im nachhinein dann mit nichts mehr als einem Druck auf den „SAMPLE START“-Button und folgendem Sampletransfer zu korrigieren. Fehlende Klangindividualität sieht auf der anderen Seite die Möglichkeit zur fort-schreitenden Authentizität simulierter Klänge, welche untereinander austauschbar geworden sind. Beurteilungen über die Güte eines Klanges sind gleichwohl auch Urteile, die einen Klang als konventionalisierte und damit redundante Information bestimmen. Jeder Klang spiegelt das Sein der anderen, welche in der Selbstähn-lichkeit einander auslöschen. So macht es Sinn, wenn Peter Gorges im Verlaufe seines Berichtes fortfährt: „Der Sound ist [...] sehr rund, durchsichtig und klar. Obwohl die Tiefen recht gut rüberkommen, vermisse ich doch ab und an die spezielle Power, die der D-50 noch hatte, auch fehlen mir gewisse Unsauberheiten. Alles klingt sehr ‘clean’ und vorsichtig, es gibt keine Sounds, die das Ohr ‘provozieren’. Dreck ist im D-70 pas-sé.“ 1 Was soll auch noch provozieren, wenn alles schon im vorhinein bekannt ist. So ist jenes „Dreck ist im D-70 passé“ als Schwanengesang auf eine Zeit zu ver-stehen, in der dieser Dreck, wenn auch vom Klangprogrammierer unbemerkt, als qualitätsstiftendes Merkmal die Klänge bereicherte. Andere Keyboards der frühen 80er Jahre vermochten ganz ähnlich wie der D-50 die von ihnen generierten Klän-ge mit zu qualifizieren. So auch der Fairlight II, ein für damalige Verhältnisse sehr aufwendiges und teures Samplingsystem, das ebenfalls nicht beeinflußbare Neben-geräusche erzeugte. Vom Fairlight II produzierte Sounds sind nunmehr im Zeitalter 1 Ebd., S. 126