VOM RAUSCHEN DER KANÄLE 211 der preiswerten Sampler auf ‘Sampling-CDs’ erhältlich, und in Werbeanzeigen wird auf die fehlerhafte, dabei aber Klangcharakter beweisende Klangerzeugung hingewiesen: „Wir möchten bemerken, daß es sich bei dieser einzigartigen Samm-lung vorwiegend um Sounds der ersten Sampling-Generation inklusive der typi-schen Fairlight II Nebengeräusche handelt.“1 Wenngleich das hier Beschriebene sowohl als Gütequalifizierung wie auch umgekehrt als Warnung vor einem Mangel an Qualität verstanden werden kann, so erhält es doch eine eindeutige Ausrichtung, wenn man es mit den folgenden von Klaus Doldinger gemachten Aussagen im Zu-sammenhang liest: „Ich habe beispielsweise einen 8-Bit und einen 16-Bit Emula-tor, und der 8-Bitter ist mir in vielen Bereichen lieber. Auch der ganz alte Fairlight ist so ein ‘Vehikel’, dessen Sounds interessanter, besser und fetter sind als in der höheren Auflösung. Die reinen Daten sprechen also nicht immer die volle Wahr-heit aus“.2 Was sich unwiderruflich Ausdruck verleiht, bedarf der Integration von seiten von Sound-Programmierern und der Auseinandersetzung mit der sich selbst schreibenden Materialität, was in der Folge Musikschaffende nötigt, das sich so unerwartet Bietende in musikalischen Ausdruck umsetzen, um schließlich von Mu-sikern und Hörern von Musik gleichermaßen als innovatives Klangerlebnis erfah-ren zu werden. In jenem zum Beispiel genommenen „Shakuhachi“ genannten Supplement einer japanischen Flöte kommt also „der Schriftcharakter medialer Übertragung als Spur“3 zum Ausdruck, was zwar zum einen die Verfälschung der Ursprungsinfor-mation oder des Klanges bedingt, damit aber auch die Möglichkeit zu einer neuen Sinnstiftung respektive Klangerfahrung beim Rezipienten eröffnet.4 Mit dem Flö-tenklang „Shakuhachi“ ist fortan nicht mehr ausschließlich der Materialität einer asiatischen Flöte assoziiert, sondern es materialisiert sich gleichsam das darin, was dem Musikinteressierten unter der Bezeichnung „D-50“ geläufig ist. Prinzipielle Spurenlosigkeit ist es, die Übertragungsmaterialitäten der Jetztzeit auszeichnen, das zwar zum einen den spurenlosen Weg in alle Richtungen offenhält, umgekehrt aber die Möglichkeit zur Verortung von Klängen unmöglich macht. Diese im posi-tiven Sinne „Dreck“ genannte Spur, oder anders ausgedrückt, die Verrauschungen eines D-50 belegen also noch ein letztes Mal die konkrete Materialität - die Hard-ware -, bevor moderne Software und Technik im Rausch eines instantanen Proces-sings das Konkrete endgültig aus dem Bewußtsein des Zuhörers tilgen. Doch scheint es, daß über den Umweg eines kreativen Umgangs mit Digital-technologie die anerkannte Qualität des Rauschens andererseits auch wieder Ein-zug hält in den digitalen Kreislauf, so beispielsweise, wenn mit Klangerzeugern 1 Entnommen einer Werbeanzeige der Firma MASTERBITS 2 Klaus Doldinger, in: Vom Segen der Technik. In. Keys 10/93. Ein Gespräch mit Klaus Doldinger, geführt von Linda Kube und Anselm Rössler, S. 95 Zum besseren Verständnis: Ein „Emulator“ ist ein Sampler der Frühzeit und war sei-nerzeit ein für den Normalverbraucher unerschwingliches Gerät. 3 Wetzel, Michael: Die Enden des Buches oder die Wiederkehr der Schrift, a.a.O., S. 107 4 Vgl. ebd., S. 108