Konfektions-Klang-Ware „Die heutigen Synthesizer sind irgendwie nicht sexy.“ Die Nivellierung gerätespezifischer Charakteristika erfährt schließlich da ihre Fortsetzung, wo infolge von Standardisierungsmaßnahmen unterschiedliche Syn-thesizer identische Klangbelegungen aufweisen. Gemeint ist hierbei nicht, daß die-selben Samplewellen oder Klangerzeugungsprinzipien bei der Klanggenerierung Anwendung finden, sondern daß mit Anwahl bestimmter Programmspeicher am Gerät immer auch bestimmte Instrumentalfarben bereitgestellt sind. Diese Stan-dardbelegung von Klangfarben umfaßt 128 Programmnummern und ist im soge-nannten GM- Standard (General MIDI) festgelegt.1 Nach Einschalten eines GM-kompatiblen Gerätes wird so beispielsweise auf Prg. Nr. 1 immer ein Klavierklang vorzufinden sein, Prg. Nr. 17 wird immer einen Orgelklang, Prg. Nr. 123 immer eine gesampelte Wellenbrandung usw. zu Verfügung stellen. Erstmals verwirklicht wurde dieser Standard 1991 mit dem Synthesizerexpander Sound Canvas SC 55 der Firma Roland.2 Mit gleichen Programmzuweisungen ist zwar noch nicht zwangsläufig die identische Klangcharakteristik bei unterschiedli-chen Synthesizern gegeben, doch wird mit einer solchen Standardisierung schon ein Grundstein für eine weitergehende Angleichung von Klangerzeugern unter-schiedlicher Firmen gelegt, indem beim Nutzer solcher Geräte allein schon durch die genormte Klangbelegung auch eine bestimmte Klang-Erwartungshaltung ge-weckt wird. Abweichungen von Klangvorstellungen werden dabei nur noch in ei-nem eng umgrenzten Rahmen toleriert, allein auch schon deshalb, weil auf dem Musikmarkt vielfach MIDI-Daten-Files populärer Songs oder auch klassischer Musik angeboten werden, die nach diesem Standard ausgerichtet sind. Extreme Unterschiede in der Klangfarbe oder im Klangverlauf sind, um eine annähernd adäquate Umsetzung von Pop-und Klassikmusik zu gewährleisten, also gar nicht gewünscht. Eine gerätespezifische, also weitgehend normfreie Klangcharakteristik würde bedeuten, der Hörerwartung von Nutzern implizit zu widersprechen, welche in der MIDI-realisierten Musik durch einen solchen Klangerzeuger einen bestimm-ten Song oder ein bestimmtes Werk lediglich wiederzuerkennen oder im Idealfall eine identische Klangkopie zu realisieren wünschen. Größere klangliche Unter-schiede würden zudem teilweise weitreichendere Klangnachbearbeitungen not-wendig machen, welche mit GM-Klangerzeugern aber nur in einem bescheidenen Umfang möglich sind. 1 General MIDI legt darüber hinaus noch zahlreiche weitere Standardisierungen fest, so die Bereitstellung und Nutzung von wenigstens 24 Stimmen zur gleichen Zeit, der gleichzeitige Empfang auf allen 16 MIDI- Kanälen, zahlreiche Controllerimplementie-rungen u.a.m.. (vgl. Brüse, Claudius: General MIDI. In: Keyboards 8/91, S 38ff.) 2 Der Sound Canvas arbeitet nach dem Roland-internen GS-Standard, der aber im Grunde genommen mit dem GM-Standard identisch ist. Er geht lediglich in einigen Teilbereichen noch über den allgemeinverbindlichen GM-Standard hinaus.