VON DER EINSCHREIBUNG ZUR NEUSCHREIBUNG 226 DER MUSIK hunderts ohnehin „radikal unterminiert“ war, da in einer Welt der technischer Wahrnehmungsmedien an eine „medial unverstellte, direkte Sicht auf die Objekte der Welt/Realität nicht mehr zu denken“ ist.1 Das heißt also, wer eine solche Sub-stitution des Menschlichen durch neue Wahrnehmungsmedien verurteilt, verkennt, daß das Natürliche zuvor schon unter den Bedingungen des Künstlichen operierte. Eine automatisierte, künstliche wird die menschlich „natürlich“ operierende Wahr-nehmung schließlich vergessen machen in dem Sinne, daß die dem menschlichen Organismus natürlich gegebene im Programm der technisch realisierten Wahrneh-mung enthalten sein wird - abrufbar durch Programmwahl - und dadurch gleichsam absorbiert. So ist ferner zu vermuten, daß gerade umgekehrt durch eine technische Erweite-rung und eine damit verbundene Optimierung des Sinnesorganes Ohr die eigentli-che Leistungsfähigkeit des Ohres auf Dauer als künstlich zu erscheinen vermag. Umkehrung der Verhältnisse: Das nicht technisch manipulierte Hören erfüllt dann einfach nicht mehr die an die Sinneswahrnehmung Hören gestellten Erwar-tungen, es entspricht einfach nicht mehr der Realität des Hörens. Menschlich ist, was natürlich scheint. Worin das natürlich Scheinende gründet, spielt dann keine Rolle. „Die elektronischen Medien haben eine Art Techno-Transformation der Welt bewirkt, die einem Verschwinden der vertrauten Wirklichkeit gleichkommt“2, meint deshalb auch Peter Weibel, eine Aussage, die durch eine zukünftig absehba-re und ins Blickfeld geratene „Revolution der Transplantationen“3 ihre Unterstüt-zung erfährt. Der absolute ekstatische Rausch einer vom Menschen adaptierten wie akzeptier-ten Sinneswirklichkeit mag schließlich im automatisierten „Random Access“ eines rasend schnell erfolgenden Programmwechsels liegen, wobei ein jedes Programm eine spezifische Sinneswirklichkeit bereithält und auf Abruf konstituiert. Dabei werden zuvor nicht bekannte Bewußtseinswelten erschlossen werden, die eine Rückkehr in eine nunmehr nur noch als trist empfundene Welt des Alltagsbewußt-seins zum nicht erwünschten Effekt machen. Es wird dabei zwischen den einzelnen Programmöglichkeiten hin- und herge-schaltet, ganz so wie heute das „channel-hopping“ oder „zapping“ beim Fernsehen schon nur noch dazu dient, ein zunehmend schwieriger zu befriedigendes Sinnes-reizbedürfnis des Auges durch die Aneinanderreihung bezugsloser und somit refe-renzloser Bildwelten zu stillen.4 Permanente Intensitätssteigerung von Sinnesreizen 1 Elsner, Monika/Müller, Thomas: Der angewachsene Fernseher. In: Gumbrecht, Hans Ulrich/Pfeiffer, K. Ludwig (Hg.): Materialität der Kommunikation, a.a.O., S. 393 2 Weibel, Peter: Virtuelle Realität oder der Endo-Zugang zur Elektronik. In: Rötzer, Florian/Weibel, Peter (Hg.): Cyberspace. a.a.O., S. 36 3 „In puncto Geschwindigkeiten gibt es drei Revolutionen: die Revolution des Trans-portwesen im XIX. Jahrhundert; die Revolution der Transmissionsmedien im XX. Jahr-hundert und die künftige Revolution der Transplantationen.“ Virilio, Paul: Revolutio-nen der Geschwindigkeit, a.a.O., S. 17 4 Früher ließ sich diese Form der Bewußtseinserweiterung durch gesellschaftlich sankti-onierte Drogen wie LSD o.ä. hervorrufen. Der absolute Rausch war dabei ein zeitlich