ÜBERBELICHTETE MUSIK 227 durch Beschleunigung von Bildabfolgen oder durch zukünftig mögliche, künstli-che Sinnesrezeptoren, die es im rasenden Wechsel von Abfolgen nicht mehr zulas-sen, „Sinneseindrücke oder Informationen zu verarbeiten“ und Beziehungsgeflech-te aufzubauen oder zu ergründen, deren einziger Zweck in ihnen selbst ruht, um die Sucht „nach der beschleunigten Zeit“1 zu befriedigen. Eine Optimierung von Sinnesorganen bewirkt nicht die mögliche Differenzie-rung von Sinneseindrücken, sondern einzig deren Maximierung durch Beschleuni-gung des prozessierten Datenmaterials und darin liegt auch ihr wesentlicher, wenn nicht gar einziger Sinn und Zweck. „Die Sensation einer Information hängt viel weniger von ihrer Bedeutung als von ihrer Prozessierung ab.“2 Die letzten Effekte des Realen werden sich auch noch auf Algorithmen und auf reine elektrische Impulsfolgen reduzieren lassen. Folge dieser Digitalisierung wie Elektrifizierung der Wahrnehmung wird also sein, daß „Bilder und Töne erzeugt werden, die keinen Außenraum mehr abbilden, nur noch als interne Reihe von Sig-nalverarbeitungen existieren“.3 Durch die letzte Schnittstellenoptimierung ist zudem der digitale Kreislauf völ-lig geschlossen, die Vernetzung total, die mediale Botschaft, reine, zirkulierende, instantane - also zeitlose - Selbstreferenz zu sein, erfüllt, was auch heißen mag, daß mit jener Ankoppelung, der Integration des Menschen in einen Maschinen- Medien-Kreislauf und der damit verbundenen Verwirklichung einer geschlossenen Feedbackschleife die Medien sich selbst verwirklicht haben. „Bleiben wird nur: die pure Materialität der Medien, das Angeschlossen-Sein, der Austausch von Informa-tionen, und das Ereignis der leeren Form ihrer Zirkulation.“4 Nicht verschwiegen werden soll, daß vom heutigen Stand der Technik aus be-trachtet keine auch nur annähernd die Sinnesleistungen natürlicher Sinnesorgane adäquat simulierende Sinnessurrogate hergestellt werden können, so daß das bis-lang Beschriebene mitunter recht hypothetisch und nicht sehr wahrscheinlich scheint, gerade auch in Anbetracht der Tatsache, wenn vergegenwärtigt wird, zu welchen Leistungen unsere Sinnesorgane imstande sind, hinter denen die Möglich-keiten und Rechenleistungen selbst der komplexesten und schnellsten Rechner der begrenzter, und der Konsument wurde schließlich in die Alltäglichkeit entlassen. Mo-derne Rauschmittel, als die die modernen Kommunikationstechnologien gelten kön-nen, bedingen ähnliche Effekte, mit dem Unterschied, daß die Dauer des Rauschzu-standes nur von der Energiezufuhr begrenzt ist und somit von fast unendlicher Dauer sein kann. „Das neue Medium der Hippie-Generation hieß LSD, eine ‘neuartige Ver-bindung der Logik mit dem Delirium’ (Jean-Noel Vuarnet), deren Wirkung ihr Erfin-der, der Schweizer Chemiker Alfred Hofmann, während eines Selbstversuchs mit den Worten protokollierte: ‘Der Zustrom der Bilder ist zu groß und zu schnell wechselnd, um festgehalten zu werden.’“ (Preischkat, Wolfgang: Video. Die Poesie der neuen Medien, a.a.O., S. 107 ) 1 Schneider, Norbert Jürgen: Die Kunst des Teilens, a.a.O., S. 238 2 Bolz, Norbert: Am Ende der Gutenberg-Galaxis, a.a.O., S. 122 3 Gendolla, Peter: Zeit, a.a.O., S. 83 4 Maresch, Rudolf: In der Höhle der Endlosschleife. In: Ders. (Hg.): Zukunft oder Ende, a.a.O., S. 308