VON DER EINSCHREIBUNG ZUR NEUSCHREIBUNG 228 DER MUSIK Welt noch zurückstehen müssen und sich dagegen eher wie reine Spielzeugauto-maten ausnehmen.1 Doch angesichts der Geschwindigkeit, mit der die Entwicklung von Computern vorangetrieben wird, und angesichts der Erschließung und Verwer-tung der Erkenntnisse aus dem Bereich der Neurobiologie für die Computerwis-senschaft, als deren Ergebnis am Ende weitaus leistungsfähigere, weil ‘intelligente’ Biochips und Neuroprothesen stehen werden, verliert sich der utopische Charakter des Gesagten und gewinnen Zukunftsszenarios wie das Hergeleitete oder bei-spielsweise auch das von Ernst Kiefer Entworfene, der nicht nur an die Substituti-on einzelner Sinnesorgane, sondern gleich an die Koppelung eines kompletten VR-Systems (VR= Virtual Reality) an das Gehirn denkt, an Bedeutung: „Mindestens drei Arten der direkten Hardware-Kopplung sind denkbar: Erstens die Kopplung über die 12 Hirnnerven und das Rückenmark, zweitens die Kopplung über die ent-sprechenden Neuronen in den primären sensorischen und motorischen Kortexarea-len sowie über übergeordnete Kortexareale und schließlich die Kopplung über das Corpus callosum, bestehend aus etwa 200 Millionen Axonen, die die beiden Neo-kortexhälften miteinander verbinden.“2 Soweit Ernst Kiefers Überlegungen, aber noch nicht genug damit. In seinen weiteren Ausführungen träumt er schließlich von einer Ablösung des Geistes von seiner „neuronale[n] Hardware“ und seiner Übertragung auf andere Hardware-Systeme.3 Science Fiction? Vielleicht, - doch Forschungen, die künstliche Sinnesimplanta-te zum Ziel haben, werden mit dem Erreichen dieses Ziels ganz fraglos nicht en-den, sondern - sofern erfolgreich - dem Menschen weitere Prothesenelemente an-gedeihen lassen wollen. „Cloning und Elektronik scheinen zu verwirklichen, was Freud einmal den Prothesengott nannte.“4 Die Implementierung eines neuen Inter-face läßt so vielleicht auch eines Tages zwischen verschiedenen Seinsweisen in der Welt quasi hin- und herswitchen. Insgesamt verdichtet sich das Gesagte zu der Ge-samtaussage des - man möge mir verzeihen: hoffnungslos optimistischen5 - Com-puterapologeten Marvin Minsky: „Man kann alles mechanisieren, man muß nur 1 So müßten „um 10 Millisekunden (ms) eines Arbeitsvorganges in nur einer einzigen Nervenzelle der Netzhaut zu simulieren, [...] etwa 500 simultane, nicht-lineare Diffe-rentialgleichungen 100mal gelöst werden; mit einem Cray-Supercomputer würde dies mindestens einige Minuten dauern. Wenn man nun bedenkt, daß es 10 Millionen oder mehr solcher Zellen gibt, die sich wechselseitig beeinflussen, so würde Cray mindes-tens 100 Jahre brauchen, um zu simulieren, was sich im Auge in jeder Sekunde viele Male abspielt.“ (Stevens, John K., zitiert nach: Segal, Lynn: Das 18. Kamel oder die Welt als Erfindung, a.a.O., S. 144). Und dabei übertrifft die Kapazität eines Cray- Computers die eines PCs heutiger Art schon um den Faktor 100000. 2 Kiefer, Ernst: Leonardos Traum. Auf dem Weg zum intelligenten Realitätssystem. In: Rötzer, Florian/Weibel, Peter (Hg.): Cyberspace, a.a.O., S. 246 3 Vgl. ebd., S. 246/247 4 Bolz, Norbert: Eine kurze Geschichte des Scheins, a.a.O., S. 117/118 5 Vgl. zu dieser persönlichen Bemerkung auch die Ausführungen von Michael Erlhoff, denen ich mich inhaltlich anschließen möchte. Erlhoff, Michael: Marvin Minsky. Papst der „Künstlichen Intelligenz“. In: du. Heft Nr. 11, Nov. 91, S. 38