VON DER EINSCHREIBUNG ZUR NEUSCHREIBUNG 230 DER MUSIK nieren.“1 Nur noch als „Schaltmoment im Medienverbund“ (Norbert Bolz) gedul-det, frönt der Mensch dennoch dem infolge globaler Vernetzungen möglich ge-wordenen Schauspiel und Hörspiel der eigenen Sinnesentäußerungen. Solange die digitale Datenübertragung aber noch an irgendeiner Stelle unvollständig ist, Daten mit Hilfe von elektro-akustischen Wandlern - also Lautsprechern - zu Schall ge-wandelt und über das Medium Luft transportiert werden, sind Störungen obligato-risch, was anders ausgedrückt auch heißen kann: „Auf Kanälen aber passiert alles Mögliche.“2 Die Datenzirkulation funktioniert also nicht einwandfrei, bedingt durch ein nicht beeinflußbares „alles Mögliche“, weil Äußeres. Das Ausschalten von Fremdstörungen dient demnach nicht allein dem vorder-gründigen Ziel, einen etwaigen Musikgenuß zu erhöhen, sondern bewirkt weiter, die Entäußerungen der Sinne durch Optimierung von Signalflüssen voranzutreiben und zu perfektionieren. Im Verbund mit den übrigen Digitalmedien - vor allen Dingen mit den Bildmedien - ist die Universalisierung des Menschen gegeben, so daß das Außen, das die physische Präsenz zur Bedingung hat, schließlich nur noch als interner, global zirkulierender Datenfluß existiert. Zuende gedacht bedeutet dies: Die angestrebte ideale Datenkommunikation bedingt, die eigenen Sinnesor-gane wie auch den eigenen Körper als unvollkommene Prothesen und als unwill-kommene Störmomente aufzufassen, da diese infolge ihrer Begrenztheiten einer freien Zirkulierung von Datenflüssen und damit auch einer Universalisierung des Selbst entgegenstehen. „Schließlich schafft jede Technik der ‘Sinneserweiterung’ Prothesen, die dem Menschen nahelegen, sich auch bei voller Gesundheit ange-sichts seiner Beschränkungen als Behinderter zu sehen.“3 Es ist ein Streben der Sinne ins Äußere, das Jean Baudrillard als „exzentrisch“ beschreibt, und er meint damit, daß alle Körperteile des Menschen, das Gehirn eingeschlossen, „ausge-wandert“ sind, um den Beschränkungen seines als unvollkommene Prothese emp-fundenen Körpers zu entgehen. Aufgrund „dieser orbitalen Verpflanzung seiner ei-genen Funktionen wird der Mensch selbst ex-orbitant und ex-zentrisch“, er ist so-mit selbst zum „Satellit“ geworden4. Und Jean Baudrillard führt weiter aus, daß dieses Satellitendasein ein konzentrisches Kreisen um den eigenen Körper, um die eigene Materialität ausschließt. Zugunsten einer Allgegenwärtigkeit ist der Mensch „nirgendwo mehr heimisch, er ist aus seinem eigenen Körper, seinen eigenen Funktionen herausgedrängt.“5 Das schließlich ist Folge einer freien Datenzirkulati-onen, und wo immer Netzwerkkommunikation betrieben wird, ist die Umstülpung des Selbst nach außen, unabhängig von den mitgeteilten Informationen, schlichter Medieneffekt. 1 Bolz, Norbert: Am Ende der Gutenberg-Galaxis, a.a.O., S. 118 2 Kittler, Friedrich: Synergie von Mensch und Maschine. In: Rötzer, Flori-an/ Rogenhofer, Sara (Hg.): Kunst Machen? A.a.O., S. 103 3 Rötzer, Florian: Virtuelle und reale Welten. In: Rötzer, Florian/Weibel, Peter: Cyber-space, a.a.O., S. 100 4 Baudrillard, Jean: Videowelt und fraktales Subjekt. In: Barck, Karl Heinz/Gente, Pe-ter/ Paris, Heidi/Richter, Stefan (Hg.) Aisthesis, a.a.O., S. 253f. 5 Ebd., S. 254