VON DER EINSCHREIBUNG ZUR NEUSCHREIBUNG 242 DER MUSIK ten - eine mit Sampling ermöglichte Trivialität - tilgt den letzten Rest einer linea-ren Zeitvorstellung. Da, wo das Vorher zum Nachher emergieren kann, und das Nachher gleichzeitig die Bedingung der Möglichkeit für das zukünftig Mögliche sein kann, verliert sich auch der Gedanke einer linear verlaufenden Zeit und macht dem Gedanken von sich präsentierenden Diskontinuitäten Platz. So teilen sich mit Computern operierenden Musikern andere Umgangsweisen mit Musik mit. Es ist das Prinzip eines de-linearen Arbeitens, das sich mit dem Computer durchsetzt. Musiksignalverarbeitende Festplattenarrangeure und Musi-ker müssen im Moment der Aufzeichnung noch keine endgültige Vorstellung von Klangereignissen und schon gar nicht von der Strukturierung ganzer Musikwerke haben, da das einmal Aufgezeichnete dem operativen Zugriff überstellt ist und ver-änderbar bleibt. Während die Strukturierung der Zeit bei der analogen Aufzeich-nung im wesentlichen vor der eigentlichen Aufnahme durchdacht sein muß und damit relativ endgültig festgelegt ist, sind Festplattenarrangeure von solchen Vo-rausannahmen weitestgehend befreit. Nicht mehr länger ein sukzessiv voranschrei-tendes Arbeiten (von der Idee bis zum fertigen Arrangement) ist gefragt, sondern ein eher aggregatives Gestalten und Arbeiten. Es kann ausprobiert und wieder verworfen werden, entschieden werden, nur um Entscheidungen wieder zu verwer-fen. Es gibt kein definitives Festlegen, keine endgültige Entscheidung mehr - das vermeintlich Endgültige kann wieder Ausgangspunkt für eine erneute Datenmani-pulation sein und dabei zugleich das Vorangegangene neu strukturieren helfen. Das Prinzip eines de-linearen Arbeitens wird ganz fraglos über Sampler und Festplattenaufzeichnungsinstrumente hinaus auf allen Ebenen der Musikprodukti-on verfügt. Sequencerprogramme bieten dafür ein Beispiel1: Vom Einfallsreichtum 1 Anders als dies bei Samplern und Festplattenaufzeichnungssystemen der Fall ist, zeichnen Sequencer keine in diskrete Zeichen zerlegte Schwingungen auf oder gene-rieren diese auf der Basis entsprechender Algorithmen aus dem Nichts, sondern bei sequenceraufgezeichneten Daten handelt es sich ganz einfach um Tonhöhe, Dauer und Dynamik bestimmende Steuerbefehle, die über irgendeine Klaviertastatur von einem Instrumentalisten eingespielt, über das Computerkeyboard Ton für Ton eingegeben oder vielleicht auch auf automatischem Wege erzeugt worden sind. Das Entscheidende - unabhängig von der Dateneingabe - ist aber: Es wird kein Klang aufgezeichnet. Sol-che Steuerbefehle ergeben für sich bei einer Wiedergabe durch einen Sequencer kei-nen hörbaren Effekt, genauso wenig wie Noten auf einem Blatt Papier für sich einen Ton erzeugen. In der Vorstellung eines Notenkundigen mögen sich zwar Noten zu mu-sikalischer Gestalt und Klang fügen, um reale Schwingung zu werden, bedarf es aber hier wie dort noch eines Klangerzeugers, der diese Daten oder Noten interpretiert und zu Musik transformiert. Während für die Umsetzung von notierter in hörbare Musik Instrumentalist und Instrument verantwortlich zeichnen, sind es tonerzeugende - Syn-thesizer (Expander) und Sampler genannte - Computer, die, entsprechend der fixierten Informationen, Klänge konfigurieren. Genauso wenig wie der schwarze - Note ge-nannte - Punkt auf einem Blatt Papier etwas über den letztendlich erklingenden Ton aussagt, sagen die vergleichbaren Steuerbefehle etwas über den Klang aus. Die Infor-mation wird über Schnittstelle und Kabel an das angeschlossene datenlesende Musik-instrument geleitet. Erst dort wird der Klang erzeugt. Ob nun ein Streicherklang die In-