VOM „WERK-STÜCK“ ZUM „STÜCK-WERK“ 267 auch Brassabgänge sauber ausgeschnitten.“1 Da es zum einen mühsam und zeitaufwendig ist, solche günstigen Momente zum Herausschneiden zu finden, zum anderen das so aus Produktionen herausgefil-terte Material mitunter nicht in dem Maße universell einsetzbar ist, wie es für den Samplingkünstler wünschenswert wäre, sind solche Verfahren zur Materialbe-schaffung mehr und mehr abgelöst von Maßnahmen, welche explizit auf den Spe-zialfall kreatives Sampling von Beginn an ausgerichtet sind. Es wird also mehr und mehr das Material eigens produziert. Bestimmte an das Material gestellte Anforde-rungen können dabei berücksichtigt werden. Eine hervorragende Klangqualität ist zwar Voraussetzung, reicht aber allein, will das Angebot auch umfassend und er-schöpfend genutzt werden, nicht aus. Eine gute Dokumentation sowie eine Kennung zum problemlosen Auffinden des jeweils CD-Archivierten sind ebenfalls erforderlich. Des weiteren lassen sich, was nur bei Eigenproduktionen denkbar ist, nicht nur musikalische Einzelereignisse, sondern darüber hinaus Variantenbildungen (unter-schiedliche Tonhöhen, Spielweisen, Tempi etc.) in das Angebot einbinden, wie schon das Beispiel des polnischen Rundfunkorchesters gezeigt hat. Komplette Rhythmussektionen werden in ein- bis viertaktigen Phrasen offeriert, deren Instrumentenstimmen darüber hinaus als Klangsingularitäten auf dem Daten-träger abgelegt sind, so daß Rhythmussets nach eigenen Vorlieben zusammenge-stellt werden können. Existiert zudem noch auf einer beigefügten Diskette ein MIDI-File, der den Komplettrhythmus - in seine Einzelstimmen zerlegt - in ein be-liebiges Sequencerprogramm einladen läßt, so ist der gesamte Rhythmus in all sei-nen Ausdifferenzierungen veränderbar und mit solch selbstgestalteten Rhythmus-sets wiederzugeben.2 So entstehen umfangreiche Bibliotheken von Rhythmus/ Klang/Musikaufzeich-nungen, die nur noch in Hinblick darauf angelegt werden, daß sie in anderen Mu-sikproduktionen mit anderen vorab produzierten Klängen harmonieren und sich dort erst zu kompletten Musikstücken fügen. Die Instrumentalisten auf solchen CDs produzieren Licks, Single-Notes, Melo-dielinien usf., ohne noch ein bestimmtes Musikstück im Blick zu haben, was dem-nach auch zu einer völlig neuen Musiziererfahrung führt. Denn es heißt für einen solchen Instrumentalisten fortan, nicht mehr im Zusammenspiel mit anderen Mit-musikern gemeinsam ein musikalisches Harmoniegeflecht zu gestalten, bei dem der eigene Beitrag abhängig ist von dem Gesamtereignis und auf dieses abgestellt, sondern ein Klanggebilde zu verfertigen, das potentiell mit vielen musikalischen Fremdbeiträgen zu harmonieren in der Lage ist und dabei doch unergründbar blei- 1 Gorges, Peter: Testbericht in Keyboards 2/93 über Sampling CDs der Firma best ser-vice, S. 135 2 Und fehlen einmal Beigaben wie die genannten MIDI-File-Disks, so helfen Software-programme wie ReCycle von Steinberg, um Komplettrhythmen in ihre Einzelstimmen zu zerlegen. Ein Programm wie ReCycle wiederum läßt Datenoperateure auf der Su-che nach lohnenswertem Datenmaterial Klangschichtungen aufnehmen, welche zum Zerlegen eigentlich nie gedacht waren.