VON DER EINSCHREIBUNG ZUR NEUSCHREIBUNG 272 DER MUSIK schaft“1, „Copyright“ und „Piraterie“ längst für sich entschieden. Und entschieden werden konnte sie, weil mit Festplattenaufzeichnungssystemen und Samplern ROM-Informationen von Schallplatte, CD oder anderen Musikarchiven problem-los überführt werden können in großzügig ausgelegte Random-Access-Memory- Speicher. Random-Access-Memory - kurz RAM - bedeutet demnach nichts anderes als die Negation von Musikeransprüchen an Musik oder Klängen jedweder Art. Längst vorbei sind die Zeiten, in denen Künstler bemüht waren, einen sorgfältig produzierten und klanglich ausgefeilten Snare- Schlag2 o.ä. in einer klangreichen Mischung zu ‘verstecken’, nur um diesen nicht pur, also ohne weitere musikali-schen Ereignisse in einer Produktion erklingen zu lassen. Ganze Samplinggemein-den sind mittlerweile darauf spezialisiert, solche singulären Ereignisse in Musik-produktionen aufzuspüren, abzusampeln und für eigene Klangerzeugnisse weiter-zuverwenden. Es ist schließlich die „Idee eines Kollektiveigentums“, die sich mit Sampling durchsetzt, und zeitlich gesehen ist sie orientiert - so zumindest Diedrich Diederichsen - an der Markteinführung der populären Samplern AKAI S900 und dem festplattenfähigen AKAI S1100. Sie „haben das Copyright nicht nur unter-höhlt, sondern in der Praxis abgeschafft.“3 Anstatt Gerichte zu bemühen, bewerten junge samplingversierte Künstler und 1 Die fortschreitende Autorenlosigkeit läßt sich gerade am Beispiel von Techno-Musik ablesen, denn hier sind Namensänderungen bei aufeinanderfolgenden Produktionen nicht unüblich, was die Adressierung von Musikerleistungen (und vielleicht mitunter auch Tantiemenzuwendungen) an Personen problematisch werden läßt: „Bei der Na-mensgebung der Urheber ist übrigens ein ungewöhnlicher Hang zur Verschleierung erkennbar, der eigentlich einer prototypischen Vermarktung widerspricht und der in dieser krassen Ausprägung (z.T. wechselt von Produktion zu Produktion der Name des gleichen Urhebers!) neu ist in diesem Genre“ (Jerrentrup, Ansgar: Techno - Vom Reiz einer reizlosen Musik. In: Rösing, Helmut (Hg.): Beiträge zur Popularmusikforschung 12. Baden Baden o.J., S. 52). So führt Jerrentrup u.a. folgende Beispiele an, wobei al-lerdings auf dem Weg zur Autorisierung, wie er es ausdrückt, erst manches „Versteck-spiel“ zu „knacken“ war: „Mayday = Rhythim is Rhythim = R-Tyme = X-Ray = ame-rikanischer DJ Derrick May“ oder: „Royal House = Swan Lake = Latin Kings = Trinidad = Todd Terry Project = amerikanischer DJ Todd Terry“ (ebd., S. 52). An die Stelle von Eigen- oder Gruppennamen treten Projektnamen, die je für das entspre-chende Produkt erdacht sind. Es verliert sich somit eine kontinuierliche Urheber- und das heißt auch Werkgeschichte, und an dessen Stelle tritt das allein für sich stehende Musikstück, das ohne Geschichte ist. 2 „‘Nie mehr werde ich einen Song mit einem freistehenden Snareschlag beginnen.’ Meinte Stewart Copeland, Schlagzeuger der Gruppe Police, als man ihn fragte, was er davon halte, daß die Snare des Hits ‘Every Breath You Take’ auf unzähligen Produk-tionen zu hören war“ (Anwander, Florian: Die rechtliche Problematik des Sampling. In Keys 1/95, S. 56). 3 Diederichsen, Diedrich: Von der Sklaverei über die Identität zur Entropie - and back again? In: Kaiser, Gert/Matejovski, Dirk/Fedrowitz, Jutta (Hg.): Kultur und Technik im 21. Jahrhundert, a.a.O., S. 253