VON DER EINSCHREIBUNG ZUR NEUSCHREIBUNG 276 DER MUSIK ausgeführte Werk hat abgedankt.“1 Musik hat nichts Endgültiges mehr, sondern ist nur noch Prozeß oder in den Worten Dieter Schnebels kann Musik in Zukunft nur noch als „Vorgang zur Erzeugung“ gedacht werden, voll unberechenbarer Momen-te und immer unfertig - unvollendet. Und deshalb sind Werke nicht mehr als Wer-ke im überkommenen Sinn zu denken. „Sind also die Stücke keine fest umgrenzten Gegenstände mehr, wird der Begriff des Werks zersetzt. Die neuen Kompositionen beginnen ihre zeitlichen und räumlichen Grenzen zu verlieren. Indem sie nicht mehr auf sich selbst bestehen, öffnen sie sich für andere Musik, ja für die Akustik insgesamt. In zunehmenden Maß werden Stücke selbst zu Stimmen, die sich mit anderen kombinieren lassen, überhaupt zu Materialien, mit denen weitere Werke komponiert werden“.2 Anstatt noch den Gedanken des „Werk-Stückes“ zu verfol-gen, ist denn alles nur noch „Stück-Werk“ im gut gemeinten Sinne. Ausführende, die an solchen Prozeßaufführungen beteiligt sind, sind denn auch Mit- Komponisten und nicht länger Reproduzenten. Und durch das Miteinander- Agieren und Komponieren im Augenblick „entstehen Konflikte und dadurch neue Möglichkeiten der Produktion: Interpretation als Auseinandersetzung.“3 Das alles verändert schließlich die Aufführungspraxis in einem radikalen Maße, denn: „So wird das simple Gegenüber von Gebenden und Nehmenden, von Produzenten und Konsumenten obsolet.“4 So weit Dieter Schnebel. Wo heute nunmehr Einzelmedien netzwerkintegriert sind, alle Medien nur noch nach ‘0’ und ‘1’ prozedieren, alle Kommunikationsflüsse grenzenlos ineinander übersetzbar sind, ist aktive Beteiligung am Produktionsprozeß geradezu abver-langt. Netzwerkkommunikation sieht aber nicht nur Produzent und Rezipient in ei-nem Aktivkonsumenten aufgelöst, sondern gleichzeitig sehen sich Urheberinstan-zen multipliziert. „Eine Medienproduktion hat keinen einzelnen Autor“5, was dem-nach junge, aus allen Bereichen stammende, anonym bleibende Medienkünstler ei-nander finden und sich ganz folgerichtig einer neuen Medienkunst widmen läßt, die selbstredend dadurch gekennzeichnet ist, daß sie nicht von Dauer ist. In „De-mo- Groups“ organisieren sich jene Künstler und produzieren in Gemeinschaftsar-beit nicht mehr Werke, sondern - wie der Name schon sagt - Demos zur kurzweili-gen Unterhaltung. Das Endprodukt ist das Ergebnis der Zusammenarbeit einer Ar-beitsteilung von mehreren „Members“, die Computersounds („Sounders“) kreieren, außergewöhnliche Schriften oder Grafiken („Graficants“) erstellen, Texte („Main- Editors“) schreiben, Animationen programmieren („Coders“) u.ä. Die Kommuni-kation erfolgt fast ausschließlich über spezielle, vor fremdem Zugriff geschützte Mailboxes oder per Post. „Die Group-Mitglieder senden sich ihre Beiträge zum 1 Schnebel, Dieter: Anschläge - Ausschläge, a.a.O., S. 259 2 Ebd., S. 260 3 Ebd., S. 260 4 Ebd., S. 260/261 5 Schmidt, Siegfried J./ Maresch Rudolf: Es gibt keine Entwicklung, von der man sagen könnte, da geht es hin! In: Maresch, Rudolf (Hg.): Zukunft oder Ende? A.a.O., S. 319