VON DER EINSCHREIBUNG ZUR NEUSCHREIBUNG 286 DER MUSIK eine mit der reinen Information des Immateriellen. In Anlehnung an Virilio, der von der numerischen Optik - einer Wahrnehmung, bei der nicht mehr direkt der Blick auf die Welt, sondern der Blick auf bildcomputierende Computer gerichtet wird - spricht1, läßt sich festhalten, daß die analoge Musik durch das 0/1- Zahlenspiel einer numerischen Musik sowie das gemeinsame Musizieren von ei-nem Musizieren mit diskreten numerischen Ereignissen abgelöst wird - und zu ei-nem großen Teil schon abgelöst ist. Musiker brauchen im Grunde genommen nur insoweit noch voneinander zu wissen und/oder Kenntnis zu nehmen, als daß für ih-ren Anteil an der Aufzeichnung unbedingt unerläßlich ist. Mitunter ist aber selbst eine Kenntnisnahme voneinander überflüssig geworden. Aber auch da, wo diese noch unerläßlich oder angestrebt ist, wird sie vermehrt mittels Telekonferenzen re-alisiert werden und sich als ein numerisch-optisch/akustisches Kenntnisnehmen darstellen. Wenn - was erwartet werden darf - das Datenreisen die persönliche Anreise zu-nehmend ersetzt2 und die physische Mobilität in absoluten Stillstand umschlägt, wird der Raum der persönlichen musikalischen Begegnung und daraus resultieren-den Erfahrung sich als anachronistisch erweisen, was seine weitere Bedeutungsni-vellierung als Ort der Begegnung weiter vorantreiben wird. Kommunikationen mit Datenpaketen und teleoptische Begegnungen werden den Normalfall der Musik-kommunikation darstellen, während die räumliche Begegnung von Musikern sich nur noch mit dem Präfix „Nostalgie“ umschreiben lassen wird. Das kann auch auf die kurze und schlüssige Formel gebracht werden: „Wo Glasfaserkabel liegen, gibt es kein Forum mehr.“3 Das ‘face to face’-Musizieren ist im Begriff, seinen Stel-lenwert in der Musik weiter einzubüßen4 durch eine Mensch-Maschinen- Kommunikationsform, die vom ‘Interface’ bestimmt wird. Raumübergreifendes Musizieren schließt die persönliche Begegnung, damit zugleich die Notwendigkeit eines gemeinsamen Forums aus. „Der Welt als Datenfluß gegenüber formiert sich unser soziales System als key-board society - man trifft nur noch auf Benutzerober-flächen.“ 5 Die Kommunikation erfolgt allein über Medien - mit Medien. Paul Vi-rilio umschreibt den Zustand des dabei an einem Ort verharrenden und trotzdem mit der ganzen Welt in Kontakt tretenden Menschen denn auch richtig und einsich- 1 Vgl. Virilio, Paul: Rasender Stillstand. München 1992, S. 25 2 Sehr schön zum Ausdruck kommt die neue Form des Reisens und der Begegnung auch in der Begrifflichkeit der „Datenautobahn“, welche in nicht allzu ferner Zukunft instal-liert werden und dabei noch weitreichendere und vor allen Dingen schnellere Kom-munikationsmöglichkeiten und -angebote als bisher offerieren soll. Gleichzeitig ist ei-ne wesentlich schnellere Abwicklung der Interaktionen angestrebt. So soll dem wach-senden Bedürfnis um Informationen und nach Kommunikation Rechnung getragen werden. 3 Bolz, Norbert: Das kontrollierte Chaos, a.a.O., S. 246 4 Zur Erinnerung: Schon die Tonbandmehrspurtechnik machte die unmittelbare Anwe-senheit der Musikakteure bei der Aufnahme nicht mehr zwingend notwendig. 5 Bolz, Norbert: Am Ende der Gutenberg-Galaxis, a.a.O., S. 115