Globale „Echtzeit“-Musik oder: Der sequentielle Gleichklang Das interaktive Datenmanipulieren von Musik im instantanen Digitalzeitalter bedingt eine vernetzte Musikerpersönlichkeit, die die sich bietenden interaktiven Möglichkeiten zwar nutzt, aber trotzdem nicht alle Potentialitäten des weltumfas-senden Kommunikationssystems ausschöpft, da eine solche Musikkommunikation das gleichzeitige Musizieren von an verschiedenen Orten anwesenden Musikern nicht vorsieht. Es bleibt insofern Einwegkommunikation dergestalt, als daß bei-spielsweise der auf Sampling-CDs verfügbare Künstler mit seinen fixierten Spiel-ergebnissen zwar auf das Endprodukt Einfluß nimmt, aber innerhalb des vom Da-tenoperateurs eingeleiteten Prozesses - infolge einer fehlenden wirklichen Interak-tion - eine weitergehende Eingriffsmöglichkeit für ihn nicht gegeben ist. Musik-produktionen des weiteren, die die Spielergebnisse räumlich entfernter Musiker zusammenführen, ohne die Präsenz derselben anzufordern, lassen da schon eher Nachbesserungen oder Ergänzungen - also Interaktion - zu. Doch bleibt diese weitgehend vom Datenoperateur bzw. vom Produzenten abhängig, da diese ver-mutlich in vielen Fällen als einzige Instanz mit allen bei einer Musikproduktion Anteilnehmenden persönlich oder netzwerkgeschaltet in Kontakt treten, und es ist - da auch diese Kommunikationsform ein Nacheinander beschreibt - keine wirkliche Echtzeitkommunikation aller bei diesem Prozeß beteiligten Kommunikations-partner gegeben. Wirkliche Interaktion, welche Aktion und spontane Reaktion vorsieht, bleibt dem Echtzeitzusammenspiel, also der musikalischen Live-Darbietung von gleich-zeitig agierenden Musikern vorbehalten. Globale Vernetzung macht allerdings auch hier nicht mehr die Anwesenheit an einem Ort zur Pflicht. Interaktives ge-meinsames Musizieren wird so global definiert. „Ein interaktives Konzert, bei dem verschiedene Instrumentalgruppen dank der Möglichkeiten der Telekonferenz-schaltung aufeinander reagieren, ist ein ästhetisches Ereignis der neuen Art.“1 Fi-xierungen - gleich welcher Art sie auch sein mögen - machen, wie Fred Forest glaubt, „der elektronischen Produzierbarkeit in der realen Zeit Platz.“2 Eine echtes musikalisches Zusammenspiel macht die Instantaneität zu ihrer Voraussetzung. Doch wo eine netzwerkgeschaltete, aber ansonsten noch „traditionell“ zu nennende Begegnung von improvisierenden Musikern angestrebt ist, versagt die Echtzeit-kommunikation ganz schnell, denn auch in der Echtzeit verrinnt Zeit: Die zum Da-tentransfer benötigte Zeit summiert sich zu einem deutlich merkbaren Delayeffekt, was ein gemeinsames Improvisieren im Datenraum ohne festes musikalisches Ziel zuläßt und solches gemeinsames Agieren auch nicht weiter stört. Sobald aber ein fest umrissenes Musikstück auf eine solche Art und Weise zur Aufführung gelan-gen soll, werden musikalische Ergebnisse die Folge sein, welche weder angestrebt noch vergleichbar sind mit den Ergebnissen einer tatsächlichen musikalischen Be-gegnung von Musikern. 1 Forest, Fred: Ästhetik der Kommunikation. In: Rapsch, Volker (Hg.): über flusser. Düsseldorf o.J., S. 206 2 Ebd., S. 206