VON DER EINSCHREIBUNG ZUR NEUSCHREIBUNG 296 DER MUSIK tierende, beschränkt funktionstüchtige Apparate, die - Robotern nicht unähnlich - ferngesteuert sind, verbessert, um neue Möglichkeiten erweitert und damit nach und nach um die menschlichen Sinne komplettiert zu werden vermögen. Compu-terdaten werden also um Daten erweitert, „die direkte, konkrete Emanationen der reellen Welt sind (Bewegungen, Kräfte, Druck etc.).“1 Und mit „Eyephone“, „Da-ta- Glove“ und „Data-Suit“ sind auch die Hilfsmittel dafür bereitgestellt. Man stelle sich also mit derartiger Hardware ausgerüstete Konzertsäle vor. Im eigenen Wohnbereich werden die entsprechenden Prothesenelemente angelegt, und über Interfaceschaltung wird die Koppelung mit der dort installierten Hardware und so mit dem Konzertsaal vollzogen. Im Ergebnis wird der Eindruck einer phy-sischen Präsenz und sensoriellen Anteilnahme vermittelt, die real nicht gegeben ist. Man begegnet nunmehr Musikern, ohne sich wirklich zu begegnen, nimmt an ihrer musikalischen Darbietung teil, kann per Akklamation oder anderer Äußerungen Wohlgefallen oder Mißfallen ausdrücken, kann den Blick im Saale schweifen las-sen etc. Die Qualität der Wirklichkeitswahrnehmung ist dabei abhängig von der Güte der mechanischen Prothesen und der Möglichkeit einer einwandfreien Um-setzung sinnlicher Empfindungen. Diese Möglichkeit zur Anteilnahme und tat-sächlichen konkreten Betätigung an entfernten Orten, ohne tatsächlich anwesend sein zu müssen, ist im Begriff der „Telepräsenz“ aufgehoben. Doch braucht es neben der „Telepräsenz“-Existenz darüber hinaus noch die Koppelung mit einer „virtuellen Realität“, um den Realitätseindruck weiter zu ver-vollständigen. Allein um sich selbst als Besucher einer Konzertes wahrzunehmen, oder auch um seine Mitbesucher zu sehen, sind spezielle Simulationen notwendig, damit man anstatt der installierten Menschensupplemente - der Hardware - sich selbst als Konzertbesucher und auch anderer „menschlicher“ Gegenüber gewahr wird. So könnten nach vollzogener Koppelung mit der Konzerthardware spezifi-sche das Individuum betreffende Informationen in den Konzertsaal übertragen werden, aus denen dann der jeweilige Konzertbesucher auf Simulationsbasis - viel-leicht als Hologramm - komputiert wird. Gleichzeitig hätten die Musiker den Ein-druck, vor einer Menschenmenge zu musizieren, und eine bislang der alltäglichen Konzertaufführung vorbehaltene Zweiwegkommunikation wäre fortan auch über Raumgrenzen hinweg realisiert. Gelingt eine solche Koppelung von „Telerealität“ und „virtueller Realität“, so entsteht ein hybrider Raum - ein Raum, in dem virtuell und real diskret miteinander verschmelzen und welcher in Anlehnung an Siegfried Zielinsky mit der Begrifflichkeit der „Expanded Reality“ seine treffende Bezeich-nung findet. Es ist eine erweiterte Realität, bei der der Horizont des Individuums nunmehr global definiert ist und auf der Reduktion des unmittelbaren, lokalen Ho-rizonts gründet. Der „Nicht-Ort“ des Bildschirms, der Simulation, des virtuellen frühe Vorwegnahme der heutigen virtuellen Realität gelten kann - derartige Bestre-bungen ihre Fortführung erfuhren (vgl. Wulf R. Halbach: Reality Engines. In: Bolz, Norbert/Kittler, Friedrich/Tholen Christoph: Computer als Medium, a.a.O., S. 231- 244, hier S. 235). 1 Couchot, Edmond: Zwischen Reellem und Virtuellem: Die Kunst der Hybridation. In: Rötzer, Florian/ Weibel, Peter (Hg.): Cyberspace, a.a.O., S. 342