VON DER EINSCHREIBUNG ZUR NEUSCHREIBUNG 298 DER MUSIK zum Happening, zum extremen Sinneserlebnis, da sich der Mensch physiologisch genauso wie bei einem „echten“ Absturz verhält. Dieser wird durch die Möglich-keit zur Wiederholung zum begrüßenswerten Sinnesereignis, was begeisterte Flug-amateure denn auch erwartungsvoll fragen läßt: „Und wann machen wir einen Crash?“1 Solche Beispiele zeigen an, daß auch schon heute Simulationen eine verblüffen-de Realitätsnähe aufzuweisen vermögen. Real existierende Simulationsprogramme, die virtuelle Welten zu entwerfen die Aufgabe haben, haben aber den Nachteil, daß sie nicht den aktuellen realen Außenraum darstellen und also auf Veränderungen in der Realwelt keinen direkten Bezug nehmen können. Es werden vielmehr von der Realwelt unabhängige, in sich geschlossene Komplementärwelten geschaffen, die dem Realraum nachgebildet ist. Während zum einen also von der Realwelt nicht mehr unterscheidbare Simulationswelten existieren, sind auch im Bereich der Per-fektionierung visueller Übertragungssysteme die Forschungen so weit fortgeschrit-ten, daß es auf Dauer unmöglich sein wird, das von Übertragungsmedien übermit-telte Bildereignis noch von dem eigentlichen Realereignis zu unterscheiden. HDTV bietet hier ein Stichwort. Hinter der Abkürzung HDTV ist eine neues Fernsehen mit einer besseren Bildauflösung verborgen. High-Definition-Tele-Vision heißt denn auch jenes Akronym in der Langfassung. Das Auflösungsvermögen eines Bildsys-tems wie dem des HDTVs ist feiner als das des Auges. Folglich kann das Auge bei der Abtastung eines Bildes auch nicht mehr zwischen den Bildereignissen eines HDTV gelieferten Bildes und eines nicht medial vermittelten Bildes unterscheiden. Erzeugt wird mit HDTV eine „Surrogate Fidelity, womit sie [Ingenieure] eine tele-visuelle Präsenz von Wirklichkeit und ihrer Inszenierung meinen, die nicht mehr unterscheidbar sei, nicht mehr absetzbar von der nicht technisch vermittelten Wahrnehmung“.2 Allerdings ist diese perfekte Täuschung des Auges zum augen-blicklichen Zeitpunkt noch auf vorgegebene Blickwinkel angewiesen. Eine Verän-derung des Blickwinkels - zum Beispiel beim Durchschreiten des Raumes - macht die Täuschung zunichte. Zusammenfassend ist festzustellen, daß in Teilbereichen der sinnlichen Wahr-nehmung also schon längst nahezu perfekte Täuschungen möglich sind. Will man weiter nun wirklich telepräsent existieren und an fernen Orten konkret agieren, braucht es neben den bislang und auf längere Zeit wohl noch unverzichtbaren Hilfsmitteln wie „Eyephone“, „Data-Glove“ und „Data-Suit“ weitere Hilfsmittel. Erste Schritte sind auch dieser Richtung längst getan. Hardware, mit der der Real-raum durchschritten werden kann, ohne selbst bewegt zu sein, existiert in Ansätzen schon, was das Utopische an dem zu Beginn dieses Abschnittes Beschriebenen re-lativiert. Die Möglichkeit zum unbewegten Bewegen kann dabei zu paradox anmu-tenden Begegnungen führen: „Auf der ‘Ars Electronica’ erzählte ein Ingenieur, wie ein Roboter, der eine Kamera und einen Sender im Kopf hat, durch die Bewegun- 1 Die Frage eines Flugamateurs, der gegen Bezahlung den Lufthansa-Flugsimulator be-dienen durfte. In: Zeit vom 23.04.93, S. 83 2 Zielinsky, Siegfried: Expanded Reality. In: Rötzer, Florian/ Weibel, Peter (Hg.): Cy-berspace, a.a.O., S. 58/59