BEGEGNUNGEN IM NICHT-RAUM 299 gen des mit Eye-Phone ausgestatteten Ingenieurs veranlaßt, ein Zimmer und einen Flur durchwandert, um dann in dessen Labor zu treten; dort sieht er den Ingenieur, der in seiner Wirklichkeit, die ihm die Databrille vorgibt, sich selbst anblickt. Eine Verdoppelung des Ichs, bis hin zur Schizophrenie, daß das bewegende Subjekt vom bewegten Objekt bei seiner Arbeit betrachtet wird, als wäre es dieses selbst.“1 Mögen solche Experimente, die eine Begegnung mit dem eigenen manifesten Ich erlauben, zur Zeit auch noch auf unzulängliche und plumpe Hardware angewiesen sein, so dürfen auch auf diesem Sektor der Forschung zukünftig immer eleganter zu bedienende Prothesenelemente zum Zwecke der Fortbewegung und Anteilnah-me an entfernten Orten zu vermuten sein, was die verwirklichte „Telepräsenz“- Existenz am Horizont des Möglichen2 und in diesem unbewegten Bewegtsein gleichsam das Bild des Menschen als unbewegter Beweger, für den Welt Projekt geworden ist, aufscheinen sehen läßt. Während schon die bislang altvertraute Tele-Präsenz, aber auch die Tele- Kom-munikation nach Baudrillard eine Nähe des Gegenübers zu suggerieren vermag, das Nähe und Ferne zum Objekt/Gegenüber nicht mehr eindeutig lokalisieren und ihn davon sprechen läßt, daß im „Bannkreis der Kommunikation [...] die Dinge, Menschen und Blicke unablässig im Zustand virtuellen Kontaktes“ sind und „sich doch niemals [berühren], weil dabei die Nähe oder die Ferne eine andere ist als die des Körpers zu dem, was ihn umgibt“ und daraus schließen läßt, daß diese virtuelle Nähe und Ferne des Bildes - das „zu nahe, um wahr zu sein“, und „zu fern, um falsch zu sein“, ist - zu einer „Depolarisierung des Raumes“ und zu einer „Auflö-sung der Gestalten des Körpers“ führt3, so hat mit der Kombination einer „virtuel-len“ mit einer „telerealisierten“ Welt dieser Auflösungsprozeß eine neue Qualitäts-stufe erreicht. Diese Kombination stellt keine bloße Verdoppelung oder Erweite-rung der altvertrauten „Realität“ dar, welche schlußendlich immer noch als ver-bindlicher Orientierungspunkt in einer Welt des Instantanen und einer Welt der Vielfachwelten gelten könnte, von dem aus neue Wirklichkeiten und neue Welten erschlossen werden könnten, sondern jenes Kombinationsgefüge löst jegliche kon-krete Verortung auf. Und der konkreten Welt, die vertraut schien, ist nicht mehr zu trauen. „Es gibt nicht mehr den Norden oder einen Horizont in der sofort stattfin-denden Kommunikation. Es gibt keinen Kompass für Virtuelle Realität, kein Mek-ka in der Telepräsenz.“4 Damit ist aber auch die Unterscheidung zwischen einer für wirklich angenommenen Welt und einer Simulationswelt vollends aufgehoben. 1 Bredekamp, Horst: Der Mensch als „zweiter Gott“. In: Dencker, Klaus Peter (Hg.): In-terface 1. Elektronische Medien und künstlerische Kreativität. Hamburg 1992, S. 142 2 Vgl. zu dieser ganzen Thematik auch den informativen, teilweise aber - wie mir scheint - auch übers Machbare hinausschießenden Aufsatz von Erich Kiefer: Künstli-che Intelligenz und Virtuelle Realität. In: Rötzer, Florian/Weibel, Peter (Hg.): Strate-gien des Scheins, a.a.O., S. 176-215 3 Baudrillard, Jean. Videowelt und fraktales Subjekt. In: Barck, Karl Heinz/Gente, Pe-ter/ Paris, Heidi/Richter, Stefan (Hg.): Aisthesis, a.a.O., S. 258 4 de Kerckhove, Derrick: Touch versus Vision: Ästhetik neuer Technologien. In: Welsch, Wolfgang (Hg.): Die Aktualität des Ästhetischen, a.a.O., S. 167