Mit dem Zugriff auf eine Technologie, die es erlaubt, archivierte Daten zu re-kombinieren und neu zu gestalten und damit aus passiv verharrenden Konsumen-ten aktive Mitgestalter macht, wird „im Zeitalter der Elektronik die Kunst der Mu-sik zu einem viel brauchbareren Bestandteil unseres Lebens werden, viel weniger nur ein Ornament an ihm sein und es folglich viel tiefgreifender verändern. [...]. Die Zuschauer oder Zuhörer wären Künstler, und ihr Leben wäre Kunst.“1 Vor der eigentlichen Konsumption steht zunächst die Aktivation von Konsumenten, aus der heraus die zu rezipierende Musik erst entsteht. Eine solche Musik würde - im Sin-ne Glenn Goulds - individuelle Vorlieben auch des interaktiv tätigen Konsumen-tengestalters in sich tragen. Doch drängt sich die Frage auf, ob neben den Multi- Media-Anwendungen entwerfenden und so künstlerisch tätigen Programmierern auch das nachgeordnete Tätigsein der Konsumenten als ein künstlerisches um-schrieben zu werden vermag. Individualität und künstlerisches Potential lassen sich erst dann wirklich ein-bringen, wenn das Bedienen von Apparaten nicht nur rein handlungsorientiert, sondern gleichwohl auch reflexionsbestimmt ist. Wo also eine programmatisch rahmenbegrenzte Rekombination von Daten über ein reines reflexionsloses Bedie-nen von Apparaten hinausgehen soll, ist eine die innere Programmatik des Appara-tes durchschauende Bedienungskompetenz beim Aktivkonsumenten notwendig. Ein kunstvolles Agieren, das nicht mehr oder weniger blind operieren will, muß - um effektiv zu sein - ein die strukturelle Organisation des Handwerkszeugs vo-raussetzendes Wissen implizieren. Erst dann ist ein nach den Maßstäben des eige-nen Gefallens bestimmter konstruktiver Umgang mit dem Material gewährleistet, erst dann schreibt sich Individualität auch von Seiten des Aktivkonsumenten mit in das prozessierte Ergebnis deutlich merkbar ein, und erst dann wäre ein kunstvolles Leben, wäre Kunst, im Sinne eines interessanten, weil neue unwahrscheinliche In-formationen erschließenden Schaffens denkbar. Ohne dieses Wissen ist es lediglich das „Gefühl, Kontrolle über das Medium zu haben“2, denn daß wirkliche Kontrolle ausgeübt wird. Kontrolle, die es wert ist, so genannt zu werden, ist abhängig von der Möglichkeit des universellen Zugriffs auf die Daten. Kreatives Daten-Manipulieren hieße also, nicht allein auf das Zugriff zu neh-men, was zum Manipulieren freigegeben ist, sondern auf all das, was in diskreten Archiven aufbewahrt ist. Wirkliche Kontrolle und Kompetenz drückt sich nicht da-rin aus, die von einem Programm vorgegebenen Möglichkeiten zu erkunden und auszuschöpfen sowie angebotene Datensätze neu zu formieren, sondern in der Möglichkeit des Zugriffs auf alle Daten und das heißt zugleich, der Möglichkeit des Zugriffs auch auf das Datenpaket Programm, welches die Datenmanipulatio-nen organisiert. Ohne diese Optionen des universellen Datenzugriffs bleibt eine Neukoppelung der Daten eine weitgehend vom Programmierer vorformulierte und somit reduzierte. Wo Kompetenz fehlt, ist es nicht die eigene Absicht, die einen Anwender leitet, sondern es ist ein von außen - ein von optionenanbietenden Instanzen - geleitetes 1 Gould, Glenn: Vom Konzertsaal zum Tonstudio, a.a.O. , S. 160 2 Steinhau, Henry: Magischer Medien-Mix. In: Keys 2/94, S. 57