KÜNSTLERLEBENSWELTE304 N Tun, welches sich im Tun des reinen Users widerspiegelt. Gerade in einer Zeit, in der Materialitäten ins Mikroskopische schwinden und durch Softwaresupplemente ersetzt werden, wird es künftig um so mehr darauf ankommen, eine programmati-sche Kompetenz auszubilden, was heißen soll, nicht allein auf einen bedienungs-konformen, rein handlungsorientierten Umgang mit der Hardware abzuzielen, son-dern auch den undinghaften Umgang mit den Dingen einzuüben. Mit anderen Wor-ten: die Fähigkeit, Software zu programmieren, wird alsbald wichtiger werden als die Fähigkeit, Hardware zu bedienen. Es kann also nicht Ziel sein, daß sich Soft-warekompetenz darin ausdrückt und erschöpft, auf funktionenvorstellende farbige „Piktogramme“ zu drücken und geduldig wie vertrauensvoll darauf zu warten, was passiert und vom Programm als Ergebnis präsentiert wird. Alles, was auf der rei-nen Ebene der Softwareanwendung verbleibt, ist letztendlich - zur Erinnerung - nichts anderes „als eine Reise durchs Gehirn des Software-Designers.“1 Diese „Reise“ vermittelt und realisiert die vom Software-Designer vorgegebenen Mög-lichkeiten oder - für den Bereich der Musik umgedacht - Kompositionen. Mehr nicht. Denn, daran sei erinnert, geschriebene „Programme sind ja letztlich die Kompositionen, auch wenn die konkrete Ausführung, der Programmablauf biswei-len noch live einige Eingriffsmöglichkeiten offenläßt. Ein geschriebenes Pro-gramm ist andererseits auch eine software. Und das bedeutet: unsere software ist zugleich die Komposition, der musikalische Prozeß.“2 Wenngleich Wolfgang Mar-tin Stroh diese These auf selbstgeschriebene, in ihrer Komplexität noch recht ein-geschränkte Basic-Programme angewendet wissen will, behält sie doch gegenüber jeder Art von professioneller Software ihre Gültigkeit. Auch professionell angebo-tene Software im Musikbereich bietet zuletzt nichts anderes als die von einem Pro-grammierer vorgedachten Kompositionen. Nur deshalb, weil bedienungsfreundli-che, auf Anwender zugeschnittene Software komplexer und damit in der Handha-bung flexibler zu gebrauchen ist, ist die Zurückführbarkeit von Musik auf die pro-grammentwerfende Instanz in den seltensten Fällen mitgedacht. Am klarsten zeigt sich die Relevanz dieser These bei Software, welche sich als Kompositionshilfe und als dienstbares Werkzeug in der Hand eines Musikers aus-zuweisen sucht. Gemeint sind hiermit alle Formen von algorithmischen Komposi-tionsprogrammen. Indem ein Anwender aus einer Fülle von Optionen auswählt, mit denen ein solches Programm komponieren soll, verknüpft er lediglich die von einem Programmierer schon virtuell vorformulierten Kompositionen. 1 Bolz, Norbert: Am Ende der Gutenberg-Galaxis, a.a.O., S. 117 2 Stroh, Wolfgang Martin: Midi-Experimente und algorithmisches Komponieren, a.a.O., S. 8