KÜNSTLERLEBENSWELTE308 N Ergebnis negativ qualifiziert werden würde, so daß bei späteren Durchläufen ähnli-che Ergebnisse von vornherein ausgeschlossen und gar nicht mehr zur Beurteilung durch den Anwender anstehen würden. Ähnliche Datensätze würden also im weite-ren Verlauf vom Programm selbständig ausgegrenzt und verworfen werden. Schließlich hätte ein solches Programm mehr Einsicht in die musikalischen Vor-lieben des Anwenders, als dieser selbst zu beschreiben wüßte. Das Programm, der Computer, die universale Maschine bedenkt das menschliche Verhalten bei einem jeden Programmdurchlauf mit und gewichtet dieses ein jedes Mal aufs Neue. Es zieht also Schlußfolgerungen aus der Interaktion mit dem menschlichen Gegenüber und verhält sich dementsprechend - es versucht mehr „richtige“ Ergebnisse zu pro-duzieren. Und genau dies wird es mit fortlaufender Dauer auch tun. Die eingehen-den Daten werden, auf der Grundlage der vorangegangenen Operationen, immer besser gewichtet werden können, so daß die Wahrscheinlichkeit wunschgemäßer Ergebnisse vergrößert wird. In diesem Ein- und Ausgabeprozeß zwischen Mensch und Maschine respektive Programm wird kein Mensch je genau beschreiben kön-nen, wie die eigenen trivialen Eingaben zum nicht-trivialen Verhalten der Maschi-ne und zu musikalischen Ergebnissen führen. Nur die Maschine in der Selbstbe-schreibung kann dies tun. Nicht-Trivialität impliziert für den Anwender daher im-mer die Nichtvoraussagbarkeit der Ergebnisse. Und diese Nichtvoraussagbarkeit ist Folge von unterschiedlichen internen Zuständen, welche nicht vergangenheitsun-abhängig sind, sondern abhängig vom jeweils eingenommenen Zustand und von den zugeführten Informationen. Das Programm „lernt“ aus seiner eigenen Vergan-genheit für sein zukünftiges Verhalten. Und lernen konnte es durch die Zirkularität der Operationen. Entstanden ist zugleich ein reziprokes Verhältnis, wobei die eine Instanz - das Programm - bei diesem Rückkopplungseffekt immer mehr Einsichten gewinnt und zum Experten für die musikalischen Vorlieben des Operateurs gerät, während die andere Instanz - der Anwender - gehorsam den Programmanweisun-gen folgt und sich selbst gegenüber jeglicher Kritikmöglichkeit enthoben ist. Das Programm hat schon für ihn entschieden. Das Programm als solches firmiert als autonome „Komponisteninstanz“. Der an der Schnittstelle verharrende „User“ setzt lediglich den Prozeß des Komponierens in Gang und wartet darauf, bis ein ihm originell erscheinendes Ergebnis entstanden ist, welches dann übernommen oder weiterverarbeitet wird. Der im Algorithmus aufgehobene Komponist entsteht aber nicht von selbst. So tritt denn neben den Komponisten die Algorithmen formulierende Instanz des „Metakomponisten“ - der Programmierer. Wollte man denn eine Hierarchie von Notwendigkeiten in diesem Prozeß des Komponierens ausmachen, so würde neben dem an erster Stelle ste-henden „Metakomponisten“ Programmierer, der Komponist Programm treten und zuallerletzt die optionenauslösende Instanz des Users, welcher sich als Komponist wähnt. „Gehorsamsverweigerung“ und ein verantwortungsvolles Arbeiten - das wollte das Vorangegangene explizit darstellen - ist vonnöten, wo „intelligente“ Program-me auf funktionenauswählende Anwender treffen. Diese kann es nur da geben, wo zumindest eine ungefähre Vorstellung von internen Verarbeitungsprozessen - und