KÜNSTLERLEBENSWELTE310 N nach einem künstlerisch tätigen Anwender entgegen, da dieser letztendlich nicht verständnisvoll agiert, sondern lediglich im Sinne des Programmators tätig und gleichsam in seinem Verhalten trivialisiert wird. Trotz der Aktivität, die der An-wender an den Tag legt, bleibt dieser dennoch passiv, da bei einem solchen Aktiva-tionsprozeß weniger das künstlerische Potential des Anwenders ausgeschöpft oder aktiviert wird, sondern dieses in bestimmte vom Programmator vorgegebene Bah-nen gezwungen ist und deshalb zu großen Teilen im Zustand der Passivität ver-bleibt. Reine Bedienungsfreundlichkeit, die die Medialität aus dem Blick geraten läßt, steht einem jeden kompetenten Agieren entgegen, negiert damit eine jede Freiheit und ersetzt sie durch Fremdbestimmung durch jene, welche ihre Existenz unter den Bedingungen der Programmatik neu geordnet haben. Friedrich Kittler hat sich dieser Thematik des öfteren angenommen und darauf aufmerksam gemacht, daß hinter der Oberfläche von bedienungsfreundlichen Pro-grammen nachgeordnet verschiedenste Privilegebenen sind, auf die nur Zugriff er-hält, wer sich als zugriffsberechtigt ausweist. Das aber sind nicht die Software- User, welche beispielsweise ausgestattet mit Textverarbeitungsprogrammen und unter Microsoft DOS 3.3 Texte oder was auch immer entwerfen, sondern betriebs-systementwerfende, softwareprogrammierende Firmen. „Denn man schreibt - das ‘Unter’ sagt es schon - als Subjekt oder Untertan der Microsoft Corporation.“1 Während noch in der Frühzeit des Computers alle Bereiche der Hardware für die Umsetzung von Ideen dem User zugänglich waren, wird diese Möglichkeit zur Ei-gengestaltung unter dem Stichwort der Bedienungsfreundlichkeit immer mehr zu-rückgedrängt und der Anwender auf das verwiesen, was zu tun ihm erlaubt ist. Das Zurückverwiesen-Sein wie -Bleiben auf bedienungsfreundliche Programme bedeu-tet gleichwohl dem gesellschaftsbestimmenden Medium fremd zu bleiben, da Be-dienungsoberflächen das sie bestimmende Processing verhüllen und das darunter-liegende diskrete Tun zum Arkanum, zur Geheimwissenschaft erklären. „Während es auf der einen Seite, in Kenntnis von Codes und Algorithmen, prinzipiell mach-bar bleibt, Anwenderprogramme oder Kryptogramme zu schreiben, wird es auf der anderen und benutzerfreundlich kaschierten Seite nachgerade unmöglich, vom Fer-tigprodukt auf seine Produktionsbedingungen zurückzuschließen oder diese Be-dingungen gar zu ändern.“2 Verfolgt man Software zurück auf ihre Existenzbedin-gungen, so führt der Weg, ausgehend von der Ebene der opaken Bedienungsober-fläche, über die Ebenen der sie ermöglichenden Programmiersprachen bis hinab zum unverzichtbaren Hardwarekern eines jeden Computerprocessings: den Prozes-soren. Damit aber gerät der Blick automatisch auf Prozessoren vom Typ des INTEL 80286 und seiner Nachfolger, welche mit zugriffseröffnenden wie versa-genden Bereichen operieren, also unterscheiden nach Real-Mode und Protected- Mode. Diese Trennung in Real-Mode und Protected-Mode hat folgende Konse-quenz: „Unterschiedliche Befehlssätze, unterschiedliche Adressierungsmöglichkei-ten, unterschiedliche Registriersätze, ja sogar unterschiedliche Befehlsausfüh- 1 Kittler, Friedrich: Protected Mode. In: Ders.: Draculas Vermächtnis. Technische Schriften. Leipzig 1993, S. 208 2 Ebd., S. 210