„Wir können nicht nicht Medienpädagogik betreiben.“1 Christian Doelker hat Paul Watzlawicks Axiom von der Unmöglichkeit, „nicht nicht zu kommunizieren“ leicht gewandelt treffend bezogen auf die gesellschaftli-che Situation sowie damit gleichsam auf ein aktuelles Dilemma von Schule hinge-wiesen. Wo Medien allerorten anzutreffen sind, mutet es schon sonderlich an, wel-che marginale Rolle Medien in der Schule spielen. Was von der Welt gewußt wird, ist medial zugeführt, und dabei in erster Linie zugeführt über das Bildmedium Fernsehen.2 Alltagserfahrungen und Lebensweisheiten werden Nachrichtensen-dungen wie Fernsehserien gleichermaßen entnommen.3 Dabei ist erkennbare Fikti-onalität auf der einen wie vorgebliches Abbilden von tatsächlichen Ereignissen auf der anderen Seite für die Übernahme von Verhaltensmustern völlig gleichgültig, so daß - mit Hans Ulrich Gumbrecht - die „bisher für die Konstitution von Alltags-welten grundlegende Oppositionen wie ‘fiktional/referentiell’ oder ‘Origi-nal/ Kopie’ ihren Stellenwert verloren zu haben“ scheinen.4 Überführt man den Konjunktiv in den Indikativ, ist eine treffende Gesellschaftsanalyse gegeben. Ereignisse zudem zielen schon im Vorfeld auf ihre mediale Verbreitung ab und werden entsprechend inszeniert.5 Peter M. Spangenberg hat denn auch zu Recht darauf hingewiesen, daß die Medienrealität nicht mehr „nur in Konkurrenz zu an-deren Realitätsebenen der Alltagswelt treten, sondern die kollektive ‘Vorzugsrea-lität’ bilden“6 kann, so daß Ereignisse, um überhaupt wahrgenommen zu werden, zweimal stattfinden müssen, „einmal in der faktischen Realität, das andere Mal auf dem Bildschirm“7, schon allein deshalb, weil es dort spannender, dramatischer und durchgeplanter - eben effektvoller - zugeht und so die Medienwirklichkeit die fak-tische an Bedeutung längst übertroffen hat.8 Auf eine Formel gebracht, ließe sich mit Paul Virilio formulieren: „Die TELEOPTISCHE Wirklichkeit setzt sich gegen die 1 Doelker Christian: Medienpädagogik in der Sekundarstufe - der integrative Ansatz. In: Schill, Wolfgang/Tudloziecki, Gerhard/Wagner, Wolf-Rüdiger (Hg.): Medienpä-dagogisches Handeln in der Schule. Opladen 1992, S. 107 2 Vgl. Meyrowitz, Josuah: Die Fernseh-Gesellschaft. Wirklichkeit und Identität im Me-dienzeitalter. Weinheim/Basel 1987. Vgl. des weiteren: Doelker, Christian: Kultur-technik Fernsehen. Stuttgart 1991 3 Vgl. Winter, Rainer/Eckert, Roland: Mediengeschichte und kulturelle Differenzierung, a.a.O., S. 90ff. 4 Gumbrecht, Hans-Ulrich: Ihr Fenster zur Welt. In: Soeffner, Hans-Georg (Hg.): Kultur und Alltag. Sonderband 6 der Sozialen Welt. Göttingen 1988, S. 249 5 Vgl. Meyer, Thomas: Die Inszenierung des Scheins. Ffm 1992 6 Spangenberg, Peter M.: TV. Hören und Sehen. In: Gumbrecht, Hans-Ulrich/Pfeiffer Karl-Ludwig (Hg.): Materialität der Kommunikation, a.a.O., S. 780f. 7 Boorstin, Daniel J.: Fernsehen verändert die menschliche Erfahrung. Massenkommu-nikation, elektronische Medien und das Buch. In: Fröhlich, Werner D./Zitzlsperger, Rolf/ Franzmann, Bodo (Hg.): Die verstellte Welt, a.a.O., S. 32 8 Vgl. ebd., S. 32