VON DER IN PRAXIS GEWANDTEN 326 MEDIENTHEORIE und störend, und kein noch so vernünftiges Befragen läßt eine vorstehende, verifi-zierbare Weltordnung angesichtig werden lassen. „Objekte und Denkweisen, die aus wissenschaftlicher Erkenntnis und kapitalistischer Ökonomie hervorgehen, kolportieren fortwährend eine der Regeln, der sie ihre Möglichkeit verdanken, jene Regel nämlich, daß es keine Wirklichkeit gibt außer der, die zwischen Partnern in Form eines Konsens über Erkenntnisse und Verpflichtungen verabredet werden.“1 Eine aufgeklärte Gesellschaft hat so mit jeder weiteren Aufklärung mehr und mehr ihren sicheren Grund und Boden verlassen. „Mit der Moderne geht stets, wie im-mer man sie auch datieren mag, eine Erschütterung des Glaubens und gleichsam als Folge der Erfindung anderer Wirklichkeiten, die Entdeckung einher, wie wenig wirklich die Wirklichkeit ist.“2 Dem Wirken des rationalen Denkens sind Grenzen gesetzt, indem sich die durch jenes Denken klar gezogenen Gesetzmäßigkeiten als grenzenlos erwiesen haben. Es gibt stets ein Jenseits der Grenze, und mithin bleibt dieses dem rationalen Den-ken verschlossen. Die erklärte Welt hat vielfach ihren Ursprung im ästhetischen Empfinden. Dieses bot Anlaß zur kognitiven Arbeit, war aber bei der Erklärungs-arbeit weltlicher Phänomene dem Vernunftschluß nicht nur nachgeordnet, sondern möglichst dabei ausgegrenzt. Das Scheitern des kognitiven Vermögens, die einer Begriffsdefinition sich entziehenden Dinge auf ihre Begriffe zu bringen, inthroni-siert das wahrnehmende Erleben als gleichberechtigte Kraft neben dem Kalkül der Vernunft. Es ist der Ästhetik des Sinnlichen zugewandt. Durch die Restituierung der nicht-objektivierbaren Wahrnehmung soll der Sinnlichkeit ihr Platz in der Er-kenntnisfindung wieder eingeräumt werden, die einseitig über die Jahrhunderte vom Vernunftgedanken bestimmt war und der Rationalität alleinige Herrschaft zu-billigte. Dies folgt einem Denkverständnis, das sich postmodern versteht, das also die Versöhnung mit der Wahrnehmung/Sinnlichkeit und dem Verstand sucht. Es gründet in der Vorstellung von der grundsätzlichen Unzugänglichkeit der Welt. Die Wirklichkeit, wie sie ist, bleibt undarstellbar, ist nicht auf Formeln und nicht auf Begriffe zu bringen, gleichwohl der Versuch, sie bedenken zu wollen, davon unberührt bleibt. Eine solche postmoderne Wendung setzt also bei der Wahrneh-mung an und stellt diese ins Zentrum ihrer Erkenntnisfindung. Wenn die Wahr-nehmung des erkenntnistreibenden Individuums beim Erkennen der Welt Aner-kennung findet, ist zugleich Abschied genommen von der Idee der einen Wahrheit und an deren Stelle gesetzt plurale Wahrheiten, die so mannigfaltig sein können, wie es den Individuen wahrzunehmen ermöglicht ist. Der Glaube an die eine Wahrheit ist dem postmodernen Denkverständnis fremd, wissend, daß in der Viel-zahl der Entwürfe die eine wahrhafte Wirklichkeit nicht enthalten sein kann. Schule, die als Mikrokosmos das gesellschaftliche Leben spiegeln und darauf vorbereiten will, muß sich in diesem Sinne zukünftig als ein Ort für ästhetische Er-ziehung verstehen. Ästhetisch ist dabei abgeleitet vom griechischen aisthesis und 1 Lyotard, Jean-François: Postmoderne für Kinder. Wien 1987, S. 21 2 Ebd., S. 22