DIE ÄSTHETISIERUNG DER (UNTERRICHTS-)WELT 329 Menschen in der Idee zusammentreffen, mithin ebenso viele, wie der Staat in den Individuen sich behaupten kann: entweder dadurch, daß der reine Mensch den em-pirischen unterdrückt, daß der Staat die Individuen aufhebt; oder dadurch, daß das Individuum Staat wird, daß der Mensch in der Zeit zum Menschen in der Idee sich veredelt.“1 Dabei ist also die Problematik angegeben, in der Einheit das Individuel-le zu wahren, zugleich dabei der Einheit - welche die Vielheit, das Individuelle ei-gentlich ausschließt - gerecht zu werden. Die Einheit aber ist anzustreben, da erst in ihr der Mensch in der Idee verwirklicht ist. Entgegenstehend sind dabei die Ver-nunft, die das Allgemeine - das Gattungsmäßige - und die Natur, die das Besonde-re - das Mannigfaltige - zum Ziele hat. Hier nun setzt das Schöne an und versucht das Nicht-Zusammenführbare doch Ineins zu führen, die Vernunft mit der Natur respektive mit der Sinnlichkeit. Denn so geht es mittels der ästhetischen Erziehung darum, wie Hegel, Schillers ästhetische Erziehung darstellend, sagt, „die Neigung, Sinnlichkeit, Trieb und Gemüt so auszubilden, daß sie in sich selbst vernünftig werden und somit auch die Vernunft, Freiheit und Geistigkeit aus ihrer Abstraktion heraustrete und, mit der in sich vernünftigen Naturseite vereinigt, in ihr Fleisch und Blut erhalte. Das Schöne ist also als die Ineinsbildung des Vernünftigen und Sinnlichen und diese Ineinsbildung als das wahrhaft Wirkliche ausgesprochen.“2 Diese Ineinsbildung wird zuletzt geleistet, indem das im Prinzip nicht Zusammen-führbare aufgehoben ist in einem Dritten, dem Spieltrieb. „Man wird niemals irren, wenn man das Schönheitsideal des Menschen auf dem nämlichen Wege sucht, auf dem er seinen Spieltrieb befriedigt.“3 Die Sinnlichkeit - von Schiller der „sinnliche Trieb“ genannt - ist der Natur zugeschlagen, die sich, wie schon gesagt, mannigfal-tig gibt, oder anders ausgedrückt, sich kontingent darstellt; die Vernunft - im „Formtrieb“ aufgehoben - ist der geistigen Seite zugeschlagen, die sich als „Ich“- konstituierende Kraft erweist sowie als Gesetzmäßigkeiten erkennende Instanz operiert. Ist die eine Seite vom Zufall bestimmt, so die andere Seite von Notwen-digkeit. Der Formtrieb „dringt auf Wahrheit und auf Recht. Wenn der erste nur Fälle macht, so gibt der andere Gesetze - Gesetze für jedes Urteil, wenn es Er-kenntnisse, Gesetze für jeden Willen, wenn es Taten betrifft.“4 Im Spiel lassen sich nunmehr Zufall und Notwendigkeit oder Zwang in Einklang bringen, da ein Spiel „weder durch Zufall - es kennt ja Regeln - noch durch Zwang - man spielt ja frei-willig - zu kennzeichnen sei“.5 So erfährt der Mensch im Spieltrieb seine Freiheit und ist zur Menschwerdung befähigt: „er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“6 Ist nun dem sinnlichen Trieb das Leben, das sich in den Sinnen zeigt, sein Gegen-stand, so dem Formtrieb die Gestalt, welche, kraft vernunftmäßiger Anstrengung, 1 Ebd., S. 12 2 Hegel, Gottfried Wilhelm: Vorlesungen über die Ästhetik I. Werke 13. Ffm 41994, S. 91 3 Schiller, Friedrich: Über die ästhetische Erziehung des Menschen, a.a.O., S. 62 4 Ebd., S. 48 5 Plumpe, Gerhard: Ästhetische Kommunikation der Moderne. Bd. 1. Von Kant bis He-gel. Opladen 1993, S. 120 6 Schiller, Friedrich: Über die ästhetische Erziehung des Menschen, a.a.O., S. 63