VON DER IN PRAXIS GEWANDTEN 330 MEDIENTHEORIE in den Dingen erkannt ist. Und für den Spieltrieb heißt das dann: „Der Gegenstand des Spieltriebes, in einem allgemeinen Schema vorgestellt, wird also lebende Ge-stalt heißen können; ein Begriff, der allen ästhetischen Beschaffenheiten der Er-scheinungen und mit einem Worte dem, was man in weitester Bedeutung Schön-heit nennt, zur Bezeichnung dient.“1 In Schillers Idee der ästhetischen Erziehung ist im Schönen also die „Einheit von Geist und Natur“ geleistet, wobei die verwirklichte Schönheit im Kunstwerk diesem Anspruch nach Ausgleich gerecht geworden ist und das Kunstwerk schließ-lich als verwirklichtes Ideal „lebende Gestalt“ geworden ist. „[I]m Kunstwerk als der ins Werk gesetzten Schönheit [...] erfährt sich der Mensch als überlegenes We-sen, als ein Wesen, das Ideale realisieren und dadurch als Künstler wirken kann [...] wie als Wesen, das sich auch rezeptiv aus den Fesseln der Natur zu befreien weiß.“2 Die Kunst dient so dem Zwecke der Veredelung des Menschengeschlechts. Kurzum: Schillers Weg weist insgesamt so in eine ästhetisierte Gesellschaft: „Freiheit zu geben durch Freiheit ist das Grundgesetz dieses Reiches. [...]; der äs-thetische Staat allein kann sie wirklich machen, weil er den Willen des Ganzen durch die Natur des Individuums vollzieht.“3 Enthalten ist in Schillers Idee einer ästhetischen Erziehung eine Meta-Erzählung im Sinne Lyotards.4 Diesem einen vorgezeichneten Weg auf ein zu verwirklichen-des Endziel hin ist zu folgen, nur dann ist ein Gesellschaftsgefüge zu schaffen, in dem alle Individuen durch die Zusammenführung des Nicht-Zusammenführbaren sich aufgehoben fühlen. Ein solches Ausschließlichkeit beanspruchendes Ideal läßt kein zweites zu, was dem Gedanken der Kontingenz in einer pluralen Gesellschaft widerspricht. Nicht die Identität - die Differenz zählt. Innerhalb der Erzählung selbst ist die Harmonie, der Ausgleich angestrebt. Einer ästhetischen Erziehung der Postmoderne dagegen ist es ein Anliegen, nicht mehr die Harmonie zwischen den Vermögen des Denkens und des Sinnlichen herzustellen, sondern im Gegenteil, diese im Widerstreit zu belassen. Wo das Schöne dieses nicht zu leisten vermag, wird diesem gleichberechtigt nicht nur an die Seite gestellt das Nicht-Schöne, son-dern wird sich explizit hingewendet zum Nicht-Schönen, oder besser: zum Erha-benen. Wo die Dinge zu groß oder zu komplex für das sinnliche Vermögen der Einbildungskraft sind, sind das Sinnliche und die Vernunft weitaus mehr angeregt, zu einem reflexiven Urteil zu gelangen. Immanuel Kant hat in seiner Kritik der Ur-teilskraft all jenes am Beispiel einer monumental sich darbietenden Natur darge- 1 Ebd., S. 59 2 Jung, Werner: Von der Mimesis zur Simulation. Eine Einführung in die Geschichte der Ästhetik, a.a.O., S. 74 3 Schiller, Friedrich: Über die ästhetische Erziehung des Menschen, a.a.O., S. 125f. 4 Metaerzählungen suchen ihre Legitimität „in einer einzulösenden Zukunft, das heißt in einer noch zu verwirklichenden Idee. Diese Idee (der Freiheit, der ‘Aufklärung’, des Sozialismus usw.) hat legitimierenden Wert, weil sie allgemeine Gültigkeit besitzt. Sie ist richtungsweisend für alle menschliche Realitäten“ (Lyotard, Jean-François: Post-moderne für Kinder, a.a.O., S. 33).