DIE ÄSTHETISIERUNG DER (UNTERRICHTS-)WELT 331 stellt, die in ihrer Monumentalität sich als nicht vorstellbar erweist. Erhaben als solches erweist sich gleichermaßen das Universum oder eine Idee wie das Gute. Das Erhabene bereitet Lust, doch als „negative Lust“1, was meint, daß Lustgewinn aus schrecklichem Geschehen entspringen kann, dies allerdings verbunden mit der Einsicht, unbenommen aller Schrecklichkeit, um die eigene körperliche Unver-sehrtheit zu wissen. So mag der Vulkanausbruch - obwohl ein schreckliches Ereig-nis - beeindrucken wie genossen werden, sofern diesem nur aus gesicherter Entfer-nung beigewohnt wird und sich so erhaben ausnehmen. Das Ereignis ist mit den Sinnen nicht vollkommen zu erschließen: „das eigentliche Erhabene kann in keiner sinnlichen Form enthalten sein, sondern trifft nur Ideen der Vernunft: welche, ob-gleich keine ihnen angemessene Darstellung möglich ist, eben durch diese Unan-gemessenheit, welche sich sinnlich darstellen läßt, rege gemacht und ins Gemüt ge-rufen werden.“2 Gerade weil das Erhabene nicht erfahrbar ist, ist die scheiternde Einbildungskraft stets dazu aufgerufen, sich immer wieder daran zu versuchen. „Aber eben darum, daß in unserer Einbildungskraft ein Bestreben zum Fortschritte ins Unendliche, in unserer Vernunft aber ein Anspruch auf absolute Totalität, als auf eine reelle Idee [...] liegt: ist selbst jene Unangemessenheit unseres Vermögens der Größenschätzung der Dinge der Sinnenwelt für diese Idee die Erweckung des Gefühls eines übersinnlichen Vermögens in uns; [...]. [...] Das gegebene [...] Un-endliche aber dennoch ohne Widerspruch auch nur denken zu können, dazu wird ein Vermögen, das selbst übersinnlich ist, im menschlichen Gemüte erfordert.“3 Das Erhabene ist also gleichzeitig darin angezeigt, daß trotz dieses Widerspruches - die Umschließung des Unendlichen durch die Idee - der Versuch gewagt wird, das Unendliche auf eine endliche Vorstellung zu zwingen. Dieses Vermögen ist nach Kant dann als übersinnlich beschrieben, was den Menschen zuletzt selbst er-hebt, erhaben macht. „Im ‘Schönen’ erfahren wir die Harmonie der Sinne mit un-serem Vernunftvermögen; im ‘Erhabenen’ erheben wir uns über alle Schranken unserer sinnlichen Natur und erleben uns als Vernunftwesen. Das ‘Schöne’ bedarf der Sinnlichkeit positiv als eines wesentlichen Gegengewichtes zur Diskursivität des Verstandes und seines Begriffszwanges - das ‘Erhabene’ bedarf der Sinnlich-keit negativ, um ihr Scheitern vor der Natur als Sieg der Vernunft über alle sinnli-chen Beschränktheiten des Subjekts zu inszenieren.“4 Das heißt also, es wird mit einer ästhetischen Erziehung der Postmoderne der Weg beschritten von einer Kunst des Schönen zu einer Kunst des Erhabenen. Nicht die Harmonie zwischen den Sinnen und der Vernunft ist angestrebt, sondern durch die Überforderung des Sinnlichen die Übersteigung des Sinnlichen durch die Ver-nunft. „Die Vernunft greift der scheiternden Einbildungskraft gleichsam hilfreich 1 Kant, Immanuel: Kritik der Urteilskraft. A.a.O., B 75, 76 2 Ebd., B77 3 Ebd., B85, 86. B92, 93. Das Unterstrichene ist im Original gesperrt gedruckt. 4 Plumpe, Gerhard: Ästhetische Kommunikation der Moderne, Bd. 1. Von Kant bis He-gel. Opladen 1993, S. 101