DIE ÄSTHETISIERUNG DER (UNTERRICHTS-)WELT 337 einen Namen [haben], nämlich ‘Künstler’“.1 Zu lehren ist Kunst zu treiben, wobei Kunst nicht allein das Ergebnis, sondern, bezugnehmend auf den griechischen Ur-sprung, Methode meint. „Es wird hier tatsächlich von einer Kunstschule als Unter-bau für eine neue Kultur gesprochen, falls damit eine Schule gemeint ist, die es mit dem Weitergeben verfügbarer und dem Ausarbeiten neuer Methoden zu tun hat. Mit Methoden nämlich, dank derer aus gelagerten Informationen neue hergestellt werden.“2 Zusammengefaßt: Wissenserschließung oder Erkenntnis heißt in Zukunft grund-sätzlich, einen konstruktiven Umgang mit dem jeweiligen Material zu pflegen, ist also Wissensmehrung durch Handeln. Es wäre mit Heinz von Foersters ästheti-schem Imperativ zu argumentieren: „Willst Du erkennen, lerne zu handeln.“3 Ge-nau auf diesen Sachverhalt des Handelns und Umgehens mit den Dingen hebt ja Vilém Flusser ab, wenn er für eine ästhetische Erziehung plädiert, der es nicht mehr um Wahrheiten, um das Enthüllen von Formen geht, sondern um das Entwer-fen eigener Formen. Das Ergebnis würde eine Gesellschaft sehen, die - aufgrund der den neuen Technologien möglichen dialogischen Verschaltung - zugleich eine demokratische-re wäre: „Die ästhetische Erziehung, [...], wäre eine Schule für dialogisches (und in diesem Sinn) demokratisches Schaffen.“4 Die von Vilém Flusser vermutete Demo-kratisierung des Wissens hätte darin ihre Begründung, das - einen gleichberechtig-ten Zugang zu den Wissensspeichern vorausgesetzt - mit einer vermittelten Metho-denkompetenz zur Informationsmanipulation Kommunikation zukünftig grund-sätzlich in Form einer Mehrwegkommunikation statthaben würde und somit Ab-schied genommen würde von einer Informationsgesellschaft heutiger Provenienz, welche zwischen aktiv an der Mehrung der Kultur Beteiligten und schlicht passiv Rezipierenden unterscheidet. Eine weitergehende gesellschaftliche Demokratisierung ist aber nur dann zu leisten, wenn man um die Verknüpfungsmöglichkeiten von Informationsquanten weiß. Für die Schule bedeutet dies, Handlungskompetenzen und das heißt in erster Linie Zugriffskompetenzen auszubilden, welche gezielt die immer unerschöpflicher werdenden Wissensarchive zu erschließen helfen und neue Möglichkeits- oder Wahrscheinlichkeitsfelder auszuloten und zu verwirklichen erlauben. Dazu ist es immer weniger notwendig, kulturell relevantes Wissen sich selbst einzuverleiben, um so mehr aber ist es nötig, über das Wissen zu verfügen, wie auf dieses zuzu-greifen ist. Handlungskompetenz, verstanden als Zugriffskompetenz würde dabei lehren helfen, Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden, in einer infor-mationsüberfluteten Gesellschaft ein unverzichtbares Vermögen. Gerade dort, wo alles unter dem Primat von Informationen steht, sind Wahlakte vollziehen zu leh- 1 Ebd., S. 126 2 Ebd., S. 126 3 von Foerster, Heinz: Das Konstruieren einer Wirklichkeit. In: Watzlawick, Paul (Hg.): Die erfundene Wirklichkeit, a.a.O., S. 60 4 Flusser, Vilém: Ästhetische Erziehung. In: Zacharias, Wolfgang (Hg.): Schöne Aus-sichten? A.a.O., S. 127