VON DER IN PRAXIS GEWANDTEN 342 MEDIENTHEORIE und Erwartungen erzeugt, mit denen sie nunmehr jedweder Computertechnologie gegenübertreten. Durch explizites Herausarbeiten von Leistungen älterer Programme, dem Sam-meln von SchülerInnen-Erfahrungen mit Programmen aus ihrem Umfeld sowie ei-nem systematischen Vergleich zwischen den so gewonnenen Ergebnissen lassen sich spezifische medienimmanente Leistungen zu Tage fördern, die andernfalls nur im Zustand des Zuhandenen verblieben. Fragt man nach Erkenntnissen, die sich so gewinnen ließen, wäre zunächst noch einmal an McLuhans These zu erinnern, die besagt: Neu eingeführte Medien orientieren sich bei ihrer Einführung zunächst an den Gebrauchsnormen überkommener Medien, bevor sie ihre eigenständige Me-dialität beweisen. In diesem Sinne lehnten sich Sequencerprogramme der Frühzeit in ihrer Operationsweise nicht nur eng an Aufnahmeverfahren wie sie vom Ton-band her bekannt waren an, sondern sie übernahmen auch deren Unzulänglichkei-ten. So wurde zwar das Aufzeichnen der Musik bedeutenden Steuerzeichen geleis-tet, der Zugriff auf diese Daten - auf das einzelne Datenevent - aber bei manchen Programmen verwehrt. Fehlerhafte Einspielungen mußten - wie beim analogen Aufnahmeverfahren gleichermaßen - neu getätigt werden und konnten nicht durch nachträgliches Editieren gezielt korrigiert werden. Jenes nur mit Computern mög-liche umfassende Manipulieren wurde erst in der Folge zur Verfügung gestellt. Gerade sehr alte Computer wie sie mit dem C-64 von Commodore noch häufig an Schulen vorzufinden sind, gewinnen für den Unterricht neue Aktualität, wenn diese nicht einzig als inaktuelle und deshalb zur Aufzeichnung von Musik inakzep-table, ungenutzte Aufnahmeapparaturen angesehen werden, sondern im Unterricht als Medium Computer eingesetzt werden, mit dem die Selektions- wie Varia-tionsoffenheit von Computersystemen aufgezeigt werden kann, denn im Vergleich mit aktuellen Systemen stellt sich deren System- und/oder Softwarebeschränkung für SchülerInnen quasi als Dysfunktionalität dar, vor der die Medialität des Com-puter im Vergleich mit aktuellen Systemen und Programmen deutlich hervorzutre-ten vermag. Wo das Editieren von Daten zum Normalfall der Anwendung geraten ist, wird diese Normalität erst dort, wo diese Möglichkeit fehlt, hinterfragt und zu-letzt als dem Computer spezifische Möglichkeit erkannt. Zugleich wird eine Reflexion der eigenen an das Medium herangetragenen Er-wartungen mitgeleistet, denn erst das Fehlen von als selbstverständlich angesehe-nen Funktionen beweist im Umkehrfall, daß das Medium, in der Rückkopplung mit dem Anwender, bestimmte Denkweisen erst implementiert hat. Um ein Beispiel zu nennen. Computergerechtes Musizieren verfährt de-linear, so ist auch das Zusammenfügen von Klangereignissen zu Musik im Computer ein de-lineares Denken abverlangendes Arbeiten. De-linear zu arbeiten heißt zugleich, Musik braucht im Vorfeld einer Aufnahme keine endgültige Struktur mehr zu ha-ben, sondern kann während des Aufnahmeprozesses allmählich gestaltet werden. Computertechnologie läßt nicht nur eine andere Form des Komponierens zu, son-dern weist eher imperativ dazu an, so zu prozedieren. Damit ist nicht gesagt, daß Musik nicht auch weiterhin auf traditionellem Wege verfertigt werden kann, wohl aber, daß ein anderes Arbeiten dem Medium gerecht wird, was sich auf Dauer