VON DER IN PRAXIS GEWANDTEN 346 MEDIENTHEORIE ment eingehen läßt. Als symbiotisch definiert ist das Verhältnis auch in jenen Momenten, wo nicht der tätige Umgang, sondern das reine Hören von Musik statt-hat, bei dem der technische Klang durch den Akt der Gewöhnung, für natürlich ge-nommen, zur Menschennatur gerät. Die Ausführungen aber des schreibenden Musiklehrers zuende denkend, hieße es eher, SchülerInnen auf das Originale in der Stimme und das Künstliche am Kla-vier aufmerksam zu machen, darüber hinaus schließlich eine Abstufung von Künst-lichkeitsgraden zwischen unterschiedlichen Instrumenten (Klavier versus Streich/Blasinstrumente u.ä.) vorzunehmen und als Folge davon, entsprechende Qualifizierungen auszusprechen. Ein unsinniges Unterfangen. Schließlich: wo di-gitale Apparate noch spieltechnische Unzulänglichkeiten beweisen oder ein ge-sampelter Klang, aufgrund des Standes der Technik, über kein differenziertes Dy-namikverhalten verfügt, ist damit nicht das Wesen der Digitalität respektive des Samplings erkannt, sondern auf die Verbesserungswürdigkeit der Algorithmen hingewiesen. Genauso wenig wie das Klappern der Mechanik einer Querflöte auf das Wesen des Klapperns bei mechanischen Instrumenten hinweist, hinter dem der erzeugte Ton zurücksteht, sondern schlicht mangelhafte Verarbeitung bekundet, genauso wenig gilt es, bei digitalen Apparaten Wesensheiten festzustellen, die so nicht festzuschreiben sind. Die Differenz zwischen mechanischen und digital pro-zedierenden Apparaten weiter zu nivellieren ist also entweder einzig eine Frage der Optimierung des Algorithmus, oder aber es ist den Worten Ansgar Jerrentrups zu folgen, der schreibt: „Die größeren RAM- und ROM-Speicher der digitalen Musik-instrumente erlauben die Speicherung und Editierung noch komplexerer Abläufe und bringen weiteren klanglichen Gewinn. Der Klangunterschied zwischen me-chanisch und digital erzeugtem Ton wird sich demnach weiter verringern und dürf-te der Marke ‘unerheblich’ zustreben.“1 Die neue Gerätegeneration eines VL1 von YAMAHA und neue Instrumente anderer Firmen deuten in jene Richtung. Zugleich mag mitunter auch die Problematik angezeigt sein, daß in der Rückkopplung mit dem Instrument eine ihm gemäße Spieltechnik einfach noch nicht entwickelt ist, weil der Umgang mit den neuen Musikgeräten noch zu sehr nach Art des mechani-schen Vorbildes verfügt wird. Daran gilt es gleichfalls zu erinnern, wie es bei-spielsweise bei Peter Otto und Philipp Sonntag nachzulesen ist, wenn sie über den Umgang mit neuer Technologie schreiben und dabei auf das zukünftige Kompo-nieren von Musik abheben: „An derartigen Geräten wird eine neue Generation von Komponisten heranwachsen, die von Anfang an gelernt haben werden, die techni-schen Möglichkeiten routiniert und virtuos zu nutzen. Es gibt keinerlei Anlaß, ein derart fortgeschrittenes Gerät als ‘primitiv, monoton, künstlich, unmenschlich’ 1 Jerrentrup, Ansgar: Künstlerische Chancen, aktuelle und mögliche kulturelle Auswir-kungen der neuen Musiktechnologie. In: Enders, Bernd (Hg.) unter Mitarbeit von Ste-fan Hanheide: Neue Musiktechnologie, a.a.O., S. 23