VON DER ZWEITEN NATUR 347 usw. zu bezeichnen. Jedes Instrument ist gegenüber der menschlichen Stimme im Ansatz schablonenhaft, mechanisch - wenn es gelungen ist, menschengerecht.“1 Bei aller Kritik an den Ausführungen von Claus-Jürgen Kocka ist festzuhalten, daß dieser ja nicht gegen neue Technologie opponiert, sondern es ihm im Gegenteil darum geht, Möglichkeiten zur Integration neuer Technologie in den Unterricht aufzuzeigen. Doch allein dieses Beispiel zeigt die Problematik, wo einzig von der Ebene eines kompetenten handelnden Umgangs, aber nicht von der der Medi-enimmanenz her diskutiert wird. Der technische Ist-Zustand von Hardware wird dabei zu leicht verabsolutiert und apodiktisch für alle Zeiten festgeschrieben, und das heißt in diesem Fall: Samples sind statische, Lebendigkeit vermissen lassende Gebilde. Da Samples das Ergebnis eines digitalen Speichervorganges sind, ist es dann ein leichtes zu argumentieren. Digitale Sampleklänge lassen es an facetten-reichen Klängen vermissen, meint zumindest der zur Stützung von Claus-Jürgen Kocka angeführte und zitierte Samulak, wohingegen natürliche Instrumente diffe-renziertes Spielen erlauben. Daraus wird dann deren Natürlichkeit abgeleitet. Wollte man solche Vorstellungen einmal akzeptieren und das Natürliche dem Bereich der Mechanik sowie das Künstliche dem Bereich der Elektronik zuweisen, würde Musikunterricht relativ schnell vor Probleme gestellt und das „Natürliche“ der definitorischen Grenzerweiterung bedürfen, denn wollte man „Schüler für die Unterschiede zwischen natürlichen Instrumenten und digitalen Tonerzeugern zu sensibilisieren“2 und dabei zwischen realen und künstlichen Klängen zu unter-scheiden suchen, wäre sicherlich weiter nachzufragen, wie das Verhältnis elektri-scher Klangerzeuger zueinander definiert ist. Wer elektrische Klangerzeugung ein-fach mit dem Prädikat künstlich versieht, kommt nicht umhin, zu erklären, wieso vielerorts Klänge analoger Synthesizer als natürlich beschrieben sind, obwohl sie obendrein im Gegensatz zu ihren digitalen Nachfolgern wenig Authentizität zu ih-ren Klangvorbildern beweisen. Ganz fraglos findet sich hierfür wieder ein Denken, das um eine Definition nicht verlegen wäre und von den „wärmeren“ Analogklän-gen zu berichten wüßte, welche den fehlenden Grad an Authentizität durch ihr ana-loges Sein wettzumachen in der Lage sind und darin ihre Natürlichkeit beweisen. Und so hieße es, Definition um Definition zu verfügen, um die immer weiter schwindende Natürlichkeit einer analogen Welt zu beweisen. Allein, all solche De-finitionsbemühungen würden nur eines dokumentieren, nämlich daß solche We-sensunterscheidungen zwischen Klängen schlicht definitorisch vom Menschen hergestellte sind, und daß bei der Bemühung um Grenzziehungen sehr schnell de-ren relative Beliebigkeit zu Tage tritt. Der Blick auf die Welt ist ein technischer. Technologie ist des Menschen zweite Natur, die seine erste ist. Dies kann aber mit Hilfe Neuer Technologie, die noch nicht gesellschaftlich interiorisiert ist, hervorragend dokumentiert wie problemati-siert werden. 1 Otto, Peter/Sonntag, Philipp: Wege in die Informationsgesellschaft. München 1985, S. 276. Die Autoren beziehen sich hier explizit auf ein Synthesegerät der Firma Kurz-weil, welches das herkömmliche Klavier nachzuempfinden sucht. 2 Kocka, Claus-Jürgen: Computer - ein neues Arbeitsmittel? A.a.O., S. 88