Vom „Passen“ der Argumente oder: Vom „Wahren“ des Wahren zum Deuten des Bedeuteten „Die Wissenschaftler sind weniger denn je an feststehendem Wissen interessiert, son-dern gerade an Wissen, was nicht fest-steht.“ 1 „Aus der Idee des Konstruktivismus erge-ben sich zwei Konsequenzen. Erstens die Toleranz für die Wirklichkeiten anderer - denn dann haben die Wirklichkeiten ande-rer genausoviel Berechtigung als meine ei-gene. Zweitens ein Gefühl der absoluten Verantwortlichkeit. Denn wenn ich glaube, daß ich meine eigene Wirklichkeit herstel-le, dann bin ich für diese Wirklichkeit ver-antwortlich“. 2 Wo selbstgesetzte Anfangsdifferenzen Beobachtungsgegenstände überhaupt erst einmal konstituieren, ist die Verantwortung, die ein Erkenntnistreibender für erar-beitetes Wissen trägt, ins Blickfeld gerückt. Es ist damit Abstand genommen von der Vorstellung eines objektiv zu untersuchenden Gegenstandes und vielmehr das Interesse zugewandt dem forschenden Subjekt, würde gefragt sein nach dessen Motiven und bezeichnenden Unterscheidungen, nach den Bedingungen des Su-chens wie Untersuchens. Die Position der verantwortungslosen Instanz des Neutra-lität vorgebenden Wissenschaftlers, der das ihm Entgegenstehende schlicht be-schreibt, wird dann aufgegeben zugunsten der des für die aus seinen Beobachtun-gen abgeleiteten Erkenntnisse verantwortlichen Forschers/Wissenschaftlers. Führt man das Gesagte zurück auf das Feld des Musikunterrichtes, wird das Umgehen mit dem Gegenstand Musik auf mehrfache Weise beeinflußt. Mit der Verlagerung der Verantwortung für alles Erkannte in die beobachtende Instanz, würden bei einem Umgehen mit Musikwerken nicht mehr irgendwelche Letztbe-deutungen zu ergründen gesucht, sondern in erster Linie die Erfahrungen der mit Musik umgehenden SchülerInnen gefragt sein und ihnen die Verantwortung für ih-re Erfahrung belassen sein. Damit wird zumindest für Teilbereiche von Unterricht einer gewissen argumen-tativen Beliebigkeit das Wort geredet, denn so können zwar, wo auf Wirkungen von Musik abgehoben ist, individuumsübergreifende Befindlichkeiten wie Freude, Trauer u.ä. bei den Hörern prognostiziert werden, doch in keinem Falle kann von Bedeutungen einer Musik die Rede sein, die zu erschließen wären, da Musik als 1 Lyotard, Jean-François: Immaterialität und Postmoderne, a.a.O., S. 58 2 Paul Watzlawick, im Gespräch mit Franz Kreuzer. In: dies.: Die Unsicherheit unserer Wirklichkeit. München 1988, S. 31