VOM PASSEN DER ARGUMENTE 353 den. Kontextgebunden ist eine jede Musik, und Kontextgebundenheit liefert das Stichwort, mit dem geistige Elaborate bestimmt sein wollen. Dabei hieße es gleichwohl auch, zunächst einmal die Eingebundenheit der erkennenden Instanz in ihr soziales Umfeld - und deren strukturelle Kopplungen mit der (Medien!- )Umwelt - explizit zu berücksichtigen. Vorwissen/Erfahrungen und Verhaltenswei-sen von SchülerInnen sind also thematisiert, damit ist die interpretierende respekti-ve beobachtende Instanz zum Beobachtungsgegenstand zweiter Ordnung gemacht. Auf diesem Wege wäre die Bedingtheit eigenen Interpretierens von äußeren Fakto-ren öffentlich gemacht und aufgezeigt, daß der eigentliche Gegenstand des Unter-richts - die Musik - keine auf objektive Inhalte zu entschlüsselnde Größe darstellt. Vertrautes unvertraut erscheinen zu lassen wäre der Weg1, sich einer kontextbe-zogenen Musik zu nähern. Was bei einem solchen Vorgehen auffällt, ist, daß sol-chermaßen verfahrende Pädagogik den zu Beginn formulierten Gedanken eines Gewahrwerdens der Dinge im Falle ihrer Dysfunktionalität aufnimmt und variiert, indem der interessierende Gegenstand - aus seinem Kontext herausgelöst - nicht mehr wie gewohnt „funktioniert“. Mit Techniken des erfahrungserschließenden Unterrichts nach Ingo Scheller2 wäre ein Weg aufgezeigt, dieses zu leisten. Für den Bereich der Musik wären hier Rudolf Nykrin3 und Ralf Nebhuth/Wolfgang Martin Stroh4 zu nennen. Konsequentere Anwendung eines Unterrichtsverfahrens wie das Ingo Schellers würde die Subjektdependenz allen Erkennens in den Mittelpunkt rücken, diese aufzuzeigen und zugleich gegenstandsbezogen zu diskutieren erlau-ben. Das hieße, die eigenen Unterscheidungskriterien zu beschreiben, weiter den Weg nachzuzeichnen versuchen, wie eine bestimmte Qualifizierung des musikali-schen Gegenstandes zustande gekommen ist. Hier ist der Gegenstand zur Selbstref-lexion herangezogen. Das ist das eine. Das andere ist es, den Gegenstand selbst zu thematisieren. Es hieße also, den Unterrichtsgegenstand gleichsam als ein aus seiner Zeit heraus geborenes Kon-strukt zu bedenken. Es gälte also, soziale Verhältnisse des Komponisten zu erarbei-ten, politische Strömungen der Entstehungszeit zu bedenken, eigene Zeugnisse des Komponisten - soweit vorhanden - hinzuzuziehen und nicht zuletzt die medialen gleichsam kompositionsrelevanten Bedingtheiten, denen der Komponist unterwor-fen war, aufzuarbeiten. Denn für kulturbestimmende Techniken früherer Zeiten gilt 1 Vgl. von Hentig, Hartmut: Schule als Erfahrungsraum. Stuttgart 1973. Vgl. weiter: Rumpf, Horst: Erfahrungswiderstand. In: Zacharias, Wolfgang (Hg.): Schöne Aussich-ten, a.a.O., S. 129-145 2 Vgl. Scheller, Ingo: Erfahrungsbezogener Unterricht. Königstein 1981. Vgl. weiter: Ders.: Wir machen unsere Inszenierungen selber. Oldenburg 21990 3 Vgl. Nykrin, Rudolf: Erfahrungserschließender Unterricht. Konzepte - Argumente - Bilder. Regensburg 1978 4 Vgl. Nebhuth, Ralf/Stroh, Wolfgang Martin: Szenische Interpretation von Opern - Wieder eine neue Operndidaktik. Musik und Bildung 1/90. Vgl. weiter: Brinkmann, Rainer: Szenische Interpretation von Opern. Die Hochzeit des Figaro. Oldershausen 1992. Vgl. weiter. Nebhuth, Ralf/Schläbitz, Norbert: Szenische Interpretation im Mu-sikunterricht/ Rusalka. In: Zeitschrift Grundschule 9/93