DAS DIGITALE ALPHABET 359 Stunde wäre es dabei, verschiedene Tonleitern programmatisch in Basic-Dialekt umzusetzen (Dur+Moll-, Ganz-Tonleitern). Dazu braucht es zunächst das Wissen um den Aufbau der jeweiligen Tonleiter sowie die Kenntnis der zur Programmie-rung notwendigen Befehle. Hierzu reichen im ATARI spezifischen Omnicron Basic zwei Befehle aus: BIOS zur Adressierung der jeweiligen Schnittstelle, sowie der Befehl WAIT zur Bestimmung der Tondauer (weitere Informationen vgl. Omnicron Basic-Handbuch). Gemeinsam wird zunächst eine Tonleiter nach Wahl an der Tafel programma-tisch entworfen, in den Computer übertragen und das Ergebnis mit Start des Pro-grammes auf seine Richtigkeit hin durch Hörkontrolle überprüft und gegebenen-falls das Programm korrigiert. In Kleingruppen werden weitere Tonleitern erarbei-tet und nach Abschluß der Gruppenarbeit in den Computer übertragen. Die Ausei-nandersetzung auf der formallogischen Ebene in Kopplung mit der sinnlichen Qua-lifizierung durch Hörkontrolle macht den Aufbau der jeweiligen Tonleiter beson-ders deutlich. Es ist immer auch ein Sinneserlebnis, das statthat. Fehler sind dabei nicht auf einer abstrakten Ebene rein rational bestimmt, sondern durch die Hörkon-trolle tritt immer ein konkretes Erlebnis hinzu. Abstrakt und konkret ergänzen hierbei einander. Andere Programmaufgaben wären denkbar. Wolfgang Martin Stroh hat sich hier verdient gemacht1, wenngleich seinen Bemühungen, seinen eigenen Angaben zu-folge, wenig Resonanz beschieden war und ihnen vielfach mit Skepsis entgegenge-treten wurde.2 Bedienungsfreundlichkeit professioneller Software lähmt die Bereit-schaft zur Auseinandersetzung mit dem Medium. Das Operieren auf der Ebene der Algorithmen läßt dabei ein Denken Gestalt an-nehmen, das nicht mehr das Lineare zuvorderst im Blickfeld hat, sondern das Ver-knüpfungen, ein Denken in Vernetzungen favorisiert, was späterhin auch auf der Ebene eines mit professioneller Software verfügenden Gestaltens nur förderlich sein kann, da der Aspekt des De-Linearen durch die selbstgeknüpften nicht-linearen Beziehungsgeflechte nur um so deutlicher hervorzutreten vermag. Zu-gleich würde mit dem Wissen um die Algorithmisierbarkeit von wohldefinierten Prozessen deren Programmatik immer wieder ins Bewußtsein gerückt, mit der Fol-ge, daß Tendenzen der Determination - wie sie im Abschnitt Interpretation und Determination dargelegt wurden - vorzubeugen ist. Die völlig arbiträren Bezie-hungsgeflechte sind dann nicht durch die Opakheit des Bedienungsfreundlichkeit spiegelnden Bildschirms verdeckt, sondern blieben offenbart. Indem jenen beschriebenen Festschreibungs- und Determinationstendenzen vorge-beugt ist, eröffnen sich einem solchen Denkverständnis neue Gestaltungsräume. 1 Vgl. Stroh, Wolfgang Martin: MIDI-Experimente und algorithmisches Komponieren - eine Anleitung zum kreativen Programmieren und Komponieren am Computer, a.a.O. Ders.: MIDI-Experimente und Algorithmisches Komponieren - Programme und Pro-jekte für den Musikunterricht und die Musikpraxis. Berlin 1991 2 Vgl. Stroh, Wolfgang Martin: Algorithmische Musik als pädagogische Maßnahme ge-gen den Fetischcharakter des Computers. In: Maas, Georg (Hg.): Musiklernen und Neue (Unterrichts)- Technologien. Essen 1995