VON DER PROGRAMMAUTONOMIE ZUM AUTONOMEN HANDELN 365 Tun mitteilen, wird dem Fetisch Computer als fehlerfrei operierendem Medium entgegengewirkt, was zum anderen Automatisierungsstrategien kritisch hinterfra-gen läßt. Es geht hier nicht darum, irgendwelche mit dem Gebrauch des Computers einhergehende apokalyptische Vorstellungen zu entwickeln, sondern schlicht da-rum, das Medium Computer zu entauratisieren. Mit anderen Worten: Es wird dem Computer das grenzenlose Vertrauen, das ihm im allgemeinen entgegengebracht wird, zu einem Gutteil entzogen, und SchülerInnen die Notwendigkeit eigenver-antwortlichen Handelns dabei wieder vor Augen geführt. Das heißt dann nicht, auf Computermedien zu verzichten, sondern die grundsätzliche Fehlerbedingtheit und Undurchschaubarkeit von Programmen bei ihrer Installation immer mitzubeden-ken, was zuletzt als Konsequenz die Notwendigkeit größerer Eingriffsmöglichkei-ten in Programmabläufe sehen würde. Terry Winograd und Fernando Flores schreiben mit Bezug auf Heidegger zu dieser Thematik, daß in einer jeden Anwen-dung der „Zusammenbruch“ des Computersystems bereits angelegt ist und es Ziel sein muß, solche Zusammenbrüche bei der Gestaltung von Computersystemen zu berücksichtigen. „Das schafft für Gestaltung eine unmißverständliche Zielsetzung - ihre Aufgabe wird es, Erscheinungsformen von Zusammenbrüchen vorwegzuneh-men und Raum für mögliche Handlungen zu schaffen, falls es zum Zusammen-bruch kommt. Jeden Zusammenbruch bereits auf der Gestaltungsebene vollständig ausschließen zu wollen, ist unmöglich. Was sich jedoch entwerfen läßt, das sind Hilfsmittel für diejenigen, die in einem bestimmten Bereich möglicher Zusammen-brüche leben. Ein Teil dieser Hilfestellung besteht in Schulung. Diese sollte zu ei-nem angemessenen Verständnis des Bereiches verhelfen, in dem Zusammenbrüche auftreten, und Fachkenntnisse sowie Vorgehensweisen vermitteln, die notwendig sind, um zu erkennen, was zusammengebrochen und wie die Situation zu bewälti-gen ist.“1 Ist das Medium Computer nicht mehr mit der Aura des Fehlerfreien um-kleidet, sondern wird statt dessen potentielle Zusammenbrüche gewußt, würden solche Eingriffsmöglichkeiten nicht nur vorgesehen, sondern im Zweifelsfall dann auch genutzt werden - so die hier vertretene These. Zugleich würde dann aber auch vor jeder anstehenden Algorithmisierung kritischer nachgefragt werden, ob der je-weilige Gegenstand überhaupt eine solche umfassend zuläßt. Es sind von der rein programmatischen Ebene des weiteren Verbindungen zur Makroebene Gesellschaft zu knüpfen, solcherart, daß die Eigenkomplexität von Programmen zugleich das Phänomen Gesellschaft als Ganzes reflektieren läßt. Denn wo schon Computeralgorithmen infolge von Verknüpfungen wie Vernetzun-gen nicht mehr kritisch hinterfragbar sind, unaufhörlich Unerwartetes produzieren, ist der Versuch, ein überkomplexes Phänomen wie Gesellschaft zu qualifizieren und darüber hinaus auch noch gezielt wie vorausplanend steuern zu wollen, mit nicht voraussehbaren, weil nicht zu bedenkenden Störgrößen versehen und deshalb - allen gutgemeinten Absichten zum Trotz - ein einziges Spiel mit vielfältigen Un-bekannten, auf die es jederzeit zu reagieren gilt. Ein Planen, das über das unmittel-bar in der Zukunft Liegende hinausgeht und auf strikte Planerfüllung abzielt, ist daher utopisch, und wo solches proklamiert oder gar durchgesetzt wird, auch für 1 Winograd, Terry/Flores, Fernando: Erkenntnis Maschinen Verstehen, a.a.O., S. 271