VON AKTIVKONSUMENTEN UND ERKENNTNISMASCHINE380 N gangene ist nicht mehr das streng Lokalisierbare, denn konkrete Ein- und Über-schreibungen, die das Vergangene gerade auch in ihrem Verfall bekunden, existie-ren nicht mehr. Ohne den Bezug auf jegliche Materialität endlich verliert sich das Originale, denn im Medium des Immateriellen ist alles ohne Verlust kopierbar und reproduzierbar, was die Kopie mit dem Original identisch setzt. Die Kopie ist ihr Original wie gleichermaßen das Original seine eigene Kopie. Original und Kopie fallen in eins. Ohne Bezug auf eine verläßliche Größe bezeugen die digitalen Zei-chen sich selbst ihre Referenz: also Selbstreferenz. Es ist ein Spiel mit Signifikan-ten, ohne Rückgriff auf ein Signifikat. Das reine Signifikantenspiel führt zum Abschied von festen Werten, von zu er-gründenden Bedeutungen und folglich wird selbstverantwortlich bedeutet. Alles sich Darbietende wird unter diese neuen Erkenntnissätze gestellt, was heißt, es wird Zugriff genommen und aktiv mit dem sich je darbietenden Material umge-gangen. Jene, die nicht mehr kontemplativ Werke rezipieren, sondern an der akti-ven (Um-)Gestaltung von Werken teilhaben, sind denn auch als Aktivkonsumenten bezeichnet, die Urheberverzicht leisten. Werke sind dann nicht mehr Werk-Stücke, sondern als Leer-Werke Stück-Werke, Stück-Werke Teil des Netzwerks, und Werk ist folglich allein das Netzwerk. Das Netzwerk ist das Werk an sich. Das Netz ist das Werk der Kommunikation, die zum Selbsterhalt den Anschluß sucht. Die Möglichkeit zum globalen Netzwerkkommunizieren sieht eine Verkehrung des Nahen und Fernen vor. Denn Sich-Begegnen heißt, Informationen in Form von reiner Energie auszutauschen. Im Zustand reiner Energie ist aber mit Lichtge-schwindigkeit zu reisen. Die Informationsgesellschaft rückt den Rest der Welt nah heran. Der Hardwarerest, für den das unmittelbare Umfeld dabei zur Ferne gerät, verbleibt aber am Ort. Musikkommunikation sieht neue Formen des Musizierens vor, bei denen an Datenschnittstellen sich begegnet wird. Alte Formen der Musik-darbietung sind den neuen Netzwerken nicht mehr adäquat. Musik bedeutende Da-ten werden nunmehr gesendet, nur um von anderen Datenkommunizierenden auf-genommen wie angehört zu werden. Anhörungen bedürfen aber keiner Akte der Kontemplation, sondern solcher der Zerstreuung - im Sinne Benjamins. Daher die-nen diese Musikdaten-Events auch nicht dazu, sich daran längerfristig zu erbauen, sondern sind zum Verändern bestimmt und für andere als Kommunkationsangebo-te zur Zerstreuung gedacht. Dazu schließlich werden eines Tages auch neue Mu-sikbegegnungsstätten eingerichtet sein, die mit Hilfe neuer Prothesenelemente auf-zusuchen sind. Mit dem Zuwenden zu einer nah gewordenen Ferne werden neue Beziehungen geflochten und alte gelöst. Über Beziehungen gepflegte Einstellungen, Werte sind der Veränderung unterworfen, da die Vielfalt der Neuanbindungen das Überkom-mene bedingt. Das Überkommene zeigt sich im fest Verbundenen, das neu Ange-