84Kulturtraditionen,MusikundGeschlechtDemgegenüberistfürdieafroamerikanischeTraditiondieauralebzw.»orale«2Tradierungkennzeichnend.Sidran(1993)hatdieEigenartendieserKulturundihreAuswirkungenaufdieafroamerikanischeMusikgeschichteumfassenddargelegt.ErverwendetdabeidieBegriffe»oralculture«und»literateculture«,umUnterschie-dezwischendenkulturellenTraditionenderindenUSAaufeinandertreffendenafroamerikanischenundeuropäischstämmigenBevölkerungzubenennen.VondenNachkommenderSklavenwurdenschriftfreieTraditionenfortgesetzt,wiesieauchaufdemafrikanischenKontinentbisheuteverbreitetsind.DiesevonSidran»oralculture«genannteKulturistnichtnur,wiederBegriffnahelegt,durchverbaleKommunikationgekennzeichnet,sondernauchdurchdasAneignennachGehörundvokalesoderinstrumentalesWiedergebenbzw.Wei-terentwickeln.Mitdemu.a.vonGordon(2003)verwendeteBegriffspaar»oral–aural«(vgl.auchTappert-Süberkrüb1999,80)wirddieserProzessbesondersexaktbeschrieben.DiebeidenBegriffezeigenunterschiedlichePerspektivenauf:»oral«betontdiemündlicheWeitergabe,»aural«dieAufnahmebzw.AneignungüberdasOhr.DieBezeichnung»oraltradition«bzw.»Oraltradition«istnachwievorweiterverbreitetals»auraltradition«bzw.»AuraleTradition«.Ringli(2005,2)merktdazuan:»thisdenomination[»auraltradition«]neversucceeded–especiallyinEng-lishwherethereisnodifferenceinpronunciationbetween›aural‹and›oral‹(fromLatin›os‹:›mouth‹)whichinpracticemakesthetermalittleunwieldy.«DaimDeutschendasProblemdergleichenAussprachenichtbestehtunddieVerwendungvonGordonsBegriffspaarebenfallsetwassperrigist,werdeichtrotzihrergeringerenVerbreitungdieTermini»auraleTradition«und»auralesLernen«verwenden,dadieBetonungdesHörensimZusammenhangmitMusikm.E.denSachverhaltexakterwiedergibt.3MusikentstehtinauralgeprägtenKulturenaufderBasisvongrundsätzlichanderenPraxisformenalsinderschriftorientiertenTradition:SiewirdeherinkommunikativenProzessengemeinsamgestaltet,undderImprovisationkommteinewesentlichwichtigereRollezu.DietypischenLernmethodenderauralenTraditionbeschreibtGalper(1993/2000,2)inBezugaufdenJazz:»Themostimportantmethodologyforlearningjazzdistinctfromwesterntraditionisepitomizedbytheafricanwayofimitation,copying,studyingwithamasterandplayinginacoachedgroup.«InderPopulärenMusikafroamerikanischerPrägunghabensichdieSozialformengegenüberderafrikanischenKulturzwargeändert:Sobestehtz.B.dasSchüler-Meister-VerhältniskaumnochdurchdirekteInteraktion,sondernnurinmedialerVermittlung.DennochsinddiePrinzipiendesImitierensundKopierenssowiedasunmittelbareAneigneninderEnsemblesituationgrundlegendfürdasLernenindiesemStilbereich.DiegenanntenKulturtraditionenstehenimZusammenhangmitunterschiedli-chenmusikalischenLernformen,dieTerhag(2004)zuverschiedenen»Lerntypen«zusammenfasst.InseinemModellzurErklärungvonunterschiedlichenImprovisati-onsleistungenbezeichneterdieseTypenals»mündlichsozialisiert«bzw.»schriftlich2ZurBegriffswahls.u.3Ringli(2005)wähltdenTerminus»secundaryorality«,umaufdiemedialeVermittlunghinzuweisen,dievielerortsdiefrüherüblicheface-to-face-SituationderoralenTradierungersetzthat.DieserAspektderindirektenWeitergabewirdjedochaucheinbezogen,wennmanmitdemBegriff»aural«denSchwerpunktaufdasHörenlegt.