- 10 -Sydow, Kurt: Musikpädagogische Beiträge aus drei Jahrzehnten 
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auf die mögliche Verbindung des organischen Atemvorgangs mit der nun nicht mehr rein technischen Übung auf dem Instrument hat etwas Befreiendes. Mit dem Gesetz des Atmens: Ruhe, Spannung, Lösung, läßt sich aber sehr viele Musik erfassen. Offen bei Mozart, versteckter in einem Fugenthema Bach's, zugrundeliegend im Sinne des "schwingenden Atems" (also nicht so sehr Spannung und Lösung als Gleichmaß und Ausgewogenheit) der mittelalterlichen Chormusik. Der Schematismus formaler Musikbetrachtung erfährt durch Benutzung des sinntragenden Wortes "Atemzug" Anregung, die Überschau der Gliederung "organisch" durchzuspüren.
"Da sang der Mensch - -"
Der Atem trägt unsere Stimme. Die Stimme als Leitklang unseres Musizierens führt in vielfacher Hinsicht auf das Maßvolle zurück. "Spiele wie Du singst" klingt als Mahnung an den verkrampften Instrumentalisten, und wieviel strichfeste Geiger können dabei entdecken, wie unnatürlich sie ein Volkslied gespielt haben, wie oft sie falsche Bogenstriche benutzt und über die Melodiebögen hinweggespielt haben. Wir wissen, daß der rein instrumental ausgebildete Musiker kaum einen Zugang zum Musizieren des 15., 16. und 17. Jahrhunderts hat. Es wäre sehr äußerlich zu sagen, diese Musik muß "leise" gespielt werden. Wenn aber das schlichte Singen das instrumentale Spielen alter Suiten und Bicinien leitet, enthüllt sich ihr Sinn. Von daher leitet sich die Wiederentdeckung und Liebe zu dem stillen Klang der alten Musikinstrumente, der Gamben und Fideln, der Blockflöte, der Laute, des Clavichordes. Aber auch diejenige Musik, die den Zusammenhang von Singen und kompositorischer Erfindung nicht mehr hat, kann in der nachvollzogenen Aufspürung der möglichen Verbindungen für den Ausführenden neue Klärungen erfahren. Denn dabei entdeckt er ja die Grenze der natürlichen Bindung und den Flug in einen rein geistigen, technischen, seelischen oder animalischen Bereich. Da wir es im allgemeinen mit Menschen zu tun haben, deren Musiksinn erst entwickelt werden muß,- die Zahl derjenigen, die gehörte Musik auf ein Instrument ohne weiteres übertragen können, ist gering, - ist für die Gesundung des instrumentalen Musizierens die Übertragung gehörter Melodien auf ein Instrument eine notwendige Übung. Diese Übertragung bedarf des Mittlers der Stimme, des Singens. Die traurige Erfahrung, die man mit Fachmusikern macht, einen


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