- 196 -Sydow, Kurt: Musikpädagogische Beiträge aus drei Jahrzehnten 
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weitere Literatur hierzu gelesen: beispielsweise von Fritz Jöde "Das schaffende Kind in der Musik" oder von Ekkehard Pfannenstiel "Lehrweisen des Musikanten" und das Liederbuch "Der Musikant".

Als ich zum ersten Male das Liederbuch "Der Musikant" durchsah, sagte ich mir: Was soll ich damit anfangen. Das sind doch alles unbedeutende Dinge in der Musik.

Aber ich studierte die genannten Bücher und entdeckte Möglichkeiten, die im Umgang mit einem solchen Liedgut liegen.

Von da an begann sich meine pädagogische Phantasie zu beleben. Ich erhielt die Möglichkeit, darin tätig zu werden, da mir zeitweise jeden Tag eine Stunde und mehr mit dieser Grundschulstufe zur Verfügung stand. Ich konnte mit ihr Musik machen und singen.

In dieser Zeit habe ich begriffen, daß man das Liedsingen in zweierlei Hinsicht betreiben kann. Man kann fragen: wie schnell kann ich ein Lied einsingen? Es kam mir immer mehr darauf an, das Lied von immer neuen Seiten her aufzugreifen und seine Besonderheiten entdecken zu lassen. Es galt, mit den Tönen, die in dem Lied vorkommen zu spielen. Und ähnliches mehr. [...]

Hinsichtlich dieser auf das Lineare der Musik zielenden Melodienlehre bin ich auch durch das Büchlein von Waldemar Wöhl "Melodielehre" angeregt worden. Auch die Formenlehre von Reichenbach, die in der damaligen Zeit erschien, stellt einen wesentlichen Einfluß für mich dar. Während Reichenbach mehr von der Gregorianik her Formenlehre betreibt, versucht Wöhl Melodien von ihrer Innenmelodie her aufzuschließen. Ähnliche Hinweise findet man auch in den unterschiedlichen Kompositionsanweisungen und Harmonielehren von Hindemith.

Weber: Und im Zusammenhang mit dem Erschließen der Liedmelodien stand also die Improvisation in der Klasse.

S.: Es klingt renommistisch, wenn ich erzähle, daß in einer solchen Stunde auch einmal Kestenberg anwesend war und nachher sagte: "Die berühmten Damen in Berlin machen so einen Aufwand von ihren Improvisationen, bei Ihnen ist das alles so selbstverständlich." Das war ein weiteres wichtiges Moment in der Methode, durch den täglichen Umgang mit Liedern zu einer Selbstverständlichkeit zu kommen.


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