- 42 -Sydow, Kurt: Musikpädagogische Beiträge aus drei Jahrzehnten 
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Kanon fächert sich klanglich allmählich auf: Erste Zeile einstimmig, die zweite zweistimmig, die dritte vierstimmig. Der Rufcharakter ist eindeutig. Um das Raumgefühl anzusprechen und einzubeziehen, mag man, etwa in einer Chorstunde, jede Zeile in eine andere Richtung hinein singen: Norden, Süden, Westen, Osten. Dadurch belebt sich nicht nur das Singen, sondern die Welt kommt in den Raum.

Die musikalischen Grunderlebnisse des Rufens und des Wechselsingens wiederholen sich in der Kunstmusik in verfeinerter Form. Achtstimmige Motetten sind zumeist wechselchörig komponiert. Die Gliederung in Favorit- und Capellchor wiederholt das antiphonale Singen zwischen Priester und Gemeinde, nun nicht getrennt in Altarraum und Kirchenschiff, sondern von Empore zu Empore. In die Terassendynamik der Barockmusik wirken räumliche Echovorstellungen hinein. Man denke auch an die Echokompositionen wie die Bach Arie im Weihnachtsoratorium "Flößt, mein Heiland" oder Orlando di Lassos Madrigalkomposition "Hallo, welch gutes Echo" oder an Joseph Haydns Kammermusik "Das Echo" in zwei Zimmern zu spielen. - In Motivik und Thematik klassischer und romantischer Musik lassen sich tragkräftige Verbindungslinien aufzeigen zum Ruf und rufenden Lied, die dem Musizieren solcher Werke mit zur Lebendigkeit verhelfen können.

Diese Zusammenstellung entstand im Umgang mit musikalischen Laien, in dem Bemühen, für ursprüngliche Erfahrungen wachzumachen und für Lösung und Verwandlung durch Musik vorzubereiten.


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