- 60 -Sydow, Kurt: Musikpädagogische Beiträge aus drei Jahrzehnten 
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"jedermanns Haus". Es ist ein Stück Stilbildung der heutigen Musikpflege, daß die verschiedenen musikalischen Ausdrucksweisen gleichzeitig verkraftet werden. Die Ausprägung zeitgenössischer Musik gibt dem musikalisch nicht speziell geschulten Menschen unlösbare Rätsel auf. Er bewältigt die akustischen Phänomene und geistigen Probleme nicht mehr. Der Volksschullehrer hat eine Chance, die ihn unabhängig von den vielen Welten der Kunstmusik macht. Seine Aufgabenstellung bescheidet sich nämlich nach wie vor auf die Grundschicht des Musikalischen, auf Choral und Volkslied. Der Choral behauptet sich durch die Jahrhunderte bis in die Gegenwart. Im Liede sind die Stilwandlungen vom älteren zum neueren Volkslied und auch zum zeitgenössischen Lied nicht so befremdend, als daß sie nicht bewältigt werden könnten.

Man kann natürlich darüber streiten, ob die Beschränkung im Musikunterricht der Volksschule auf Volkslied und Choral (Kanon, Liedsatz, Instrumentierung eingeschlossen) richtig ist, denn z.B. im Deutschunterricht, auf dem Gebiet der deutschen Sprachbildung spielen Volksspruch und Volksdichtung kaum eine Rolle. Lyrik und Epik der Kunstdichtung nähren hier den Unterricht. Wenn der Lehrer die dem Volkslied und Choral innewohnende Mächtigkeit jedoch begreift, wird er an dieser Aufgabenstellung nicht zweifeln. Sieht er aber den Umgang mit dem Lied allein als eine Beschränkung auf das Simple an oder als Flucht in die Romantik, dann hat ein noch so fleißiges Liedsingen aus Lehrplangründen keinen Sinn. Der Lehrer, vor allem der werdende Lehrer, braucht Hilfen, um den "Goldgrund" im Liede zu entdecken, um mit dem Liede Umgang zu bekommen, um die Aktualität des Liedes zu erfahren, um im besten Sinne Gegenwart darin erleben zu können. Er muß das Vitale darin erfahren und das Besinnliche lieben lernen. - Dank, Lob und Bitte finden im Choral ihren Klang. Ein inneres Verhältnis dazu steuert aber die Musik nicht allein. Das Wort führt, das Singen gibt dem Worte Leuchtkraft. - Inwieweit der Lehrer über die Grundschicht hinaus in der Volksschule ein Verhältnis zur Kunstmusik vermittelt, bleibt seinen Neigungen und seinem Können überlassen. Daß in dieser Richtung viel mehr getan, dem Schüler viel mehr zugemutet werden könnte, als es üblich ist, steht außer Zweifel.


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