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Seite 3 - E.T.H. Hoffmann: Die Fermate


Lehrer zwei Flügelkonzerte von Wolff oder Emanuel Bach, ein Kunstpfeifergesell quälte sich mit Stamitz, und der Akziseeinnehmer blies auf der Flöte gewaltig und übernahm sich im Atem so, daß er beide Lichter am Pult ausblies, die immer wieder angezündet werden mußten. An Gesang war nicht zu denken, das tadelte mein Onkel, ein großer Freund und Verehrer der Tonkunst, sehr. Er gedachte noch mit Entzücken der älteren Zeit, als die vier Kantoren der vier Kirchen des Orts sich verbanden zur Aufführung von ›Lottchen am Hofe‹ im Konzertsaal. Vorzüglich pflegte er die Toleranz zu rühmen, womit die Sänger sich zum Kunstwerk vereinigt, da außer der katholischen und evangelischen noch die reformierte Gemeinde sich in zwei Zungen, der deutschen und französischen, spaltete; der französische Kantor ließ sich das Lottchen nicht nehmen und trug, wie der Onkel versicherte, brillbewaffnet die Partie mit dem anmutigsten Falsett vor, der jemals aus einer menschlichen Kehle herauspfiff.

Nun verzehrte aber bei uns (am Orte, mein ich) eine fünfundfünfzigjährige Demoiselle, namens Meibel, die karge Pension, welche sie als jubilierte Hofsängerin aus der Residenz erhielt, und mein Onkel meinte richtig, die Meibel könne für das Geld noch wirklich was weniges jubilieren im Konzerte. Sie tat vornehm und ließ sich lange bitten, doch gab sie endlich nach, und so kam es im Konzerte auch zu Bravourarien. Es war eine wunderliche Person, diese Demoiselle Meibel. Ich habe die kleine hagere Gestalt noch lebhaft in Gedanken. Sehr feierlich und ernst pflegte sie mit ihrer Partie in der Hand in einem buntstoffnen Kleide vorzutreten und mit einer sanften Beugung des Oberleibes die Versammlung zu begrüßen. Sie trug einen ganz sonderbaren Kopfputz, an dessen Vorderseite ein Strauß von italienischen Porzellanblumen befestigt war, der, indem sie sang, seltsam zitterte und nickte. Wenn sie geendigt und die Gesellschaft nicht wenig applaudiert hatte, gab sie ihre Partie mit stolzem Blick meinem Lehrer, dem es vergönnt war, in die kleine Porzellandose zu greifen, die einen Mops vorstellte und die sie hervorgezogen, um daraus mit vieler Behaglichkeit Tabak zu nehmen. Sie hatte eine garstige quäkende Stimme, machte allerlei skurrile Schnörkel und Koloraturen, und du kannst denken, wie dies, verbunden mit dem lächerlichen Eindruck ihrer äußeren Erscheinung, auf mich wirken mußte. Mein Onkel ergoß sich in Lobeserhebungen, ich konnte das nicht begreifen und gab mich um so eher meinem Organisten hin, der, überhaupt ein Verächter des Gesanges, in seiner hypochondrischen boshaften Laune die alte possierliche Demoiselle gar ergötzlich zu parodieren wußte.


Je lebhafter ich jene Verachtung des Gesanges mit meinem Lehrer teilte, desto höher schlug er mein musikalisches Genie an. Mit dem größesten Eifer unterrichtete er mich im Kontrapunkt, und bald setzte ich die künstlichsten Fugen und Tokkaten. Ebensolch ein künstliches Stück von meiner Arbeit spielte ich einst an meinem Geburtstage (neunzehn Jahr war ich alt worden) dem Onkel vor, als der Kellner aus unserm vornehmsten Gasthause ins Zimmer trat, zwei ausländische, eben gekommene Damen ankündigend.

Noch ehe der Onkel den großgeblümten Schlafrock abwerfen und sich ankleiden konnte, traten die Gemeldeten schon hinein. –



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