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mich zu verteidigen, sondern auch sogar mir einen tief verborgenen musikalischen Sinn zuzuschreiben, nahm meine Tante aus dem Umstande her, daß ich oft, wenn der Vater zufällig den Flügel nicht zugeschlossen, mich stundenlang damit ergötzen konnte, allerlei wohlklingende Akkorde aufzusuchen und anzuschlagen. Hatte ich nun mit beiden Händen drei, vier, ja wohl sechs Tangenten gefunden, die, auf einmal niedergedrückt, einen gar wunderbaren, lieblichen Zusammenklang hören ließen, dann wurde ich nicht müde, sie anzuschlagen und austönen zu lassen. Ich legte den Kopf seitwärts auf den Deckel des Instruments; ich drückte die Augen zu; ich war in einer andern Welt; aber zuletzt mußte ich wieder bitterlich weinen, ohne zu wissen, ob vor Lust oder vor Schmerz. Meine Tante hatte mich oft belauscht und ihre Freude daran gehabt, wogegen mein Vater darin nur kindische Possen fand. Überhaupt schienen sie, so wie über mich, auch rücksichtlich anderer Gegenstände, vorzüglich der Musik, ganz uneins zu sein, indem meine Tante oft an musikalischen Stücken, vorzüglich wenn sie von italienischen Meistern ganz einfach und prunklos komponiert waren, ein großes Wohlgefallen fand, mein Vater aber, der ein heftiger Mann war, dergleichen Musik ein Dudeldumdei nannte, das den Verstand nie beschäftigen könne. Mein Vater sprach immer vom Verstande, meine Tante immer von Gefühl. – Endlich setzte sie es doch durch, daß mein Vater mich durch einen alten Kantor, der in den Familienkonzerten gewöhnlich die Viole strich, im Klavierspielen unterrichten ließ. Aber, du lieber Himmel, da zeigte es sich denn bald, daß die Tante mir viel zuviel zugetraut, der Vater dagegen recht hatte. An Taktgefühl sowie am Auffassen einer Melodie fehlte es mir, wie der Kantor behauptete, keineswegs; aber meine grenzenlose Unbehilflichkeit verdarb alles. Sollte ich ein Übungsstück für mich exerzieren und setzte mich mit dem besten Vorsatz, recht fleißig zu sein, an das Klavier, so verfiel ich unwillkürlich bald in jene Spielerei des Akkordsuchens, und so kam ich nicht weiter. Mit vieler, unsäglicher Mühe hatte ich mich durch mehrere Tonarten durchgearbeitet bis zu der verzweifelten, die vier Kreuze vorgezeichnet hat und, wie ich jetzt noch ganz bestimmt weiß, E-Dur genannt wird. Über dem Stück stand mit großen Buchstaben Scherzando Presto, und als der Kantor es mir vorspielte, hatte es so was Hüpfendes, Springendes, das mir sehr mißfiel. Ach, wie viel Tränen, wie viel ermunternde Püffe des unseligen Kantors kostete mich das verdammte Presto! Endlich kam der für mich schreckliche Tag heran, an dem ich dem Vater und den musikalischen Freunden meine erworbenen Kenntnisse produzieren, alles, was ich gelernt, vorspielen sollte. Ich konnte alles gut, bis auf das abscheuliche E-Dur-Presto: da setzte ich mich abends vorher in einer Art von Verzweiflung ans Klavier, um, koste es was es wolle, fehlerfrei jenes Stück einzuspielen. Ich wußte selbst nicht, wie es zuging, daß ich das Stück gerade auf den Tangenten, die denen, welche ich aufschlagen sollte, rechts zunächst lagen, zu spielen versuchte; es gelang mir, das ganze Stück war leichter geworden, und ich verfehlte keine Note, nur auf andern Tangenten, und mir kam es vor, als klänge das Stück sogar viel besser als so, wie es mir der Kantor vorgespielt hatte. Nun war mir froh und leicht zumute; ich setzte mich den andern Tag keck an den Flügel und hämmerte meine Stückchen frisch darauf los, und mein Vater rief einmal über das andere: »Das hätte ich nicht gedacht!« – Als das Scherzo zu Ende war, sagte der Kantor ganz freundlich. »Das war die schwere Tonart E-Dur!«, und mein Vater wandte sich zu einem Freunde, sprechend. »Sehen Sie, wie fertig der Junge das schwere E-Dur handhabt!« – »Erlauben Sie,


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