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Passeport vorzeigen kannst. Das könnte ich nun ohne alle weitere Umschweife tun, indem ich Dich aber im Spiegel anschaue, fällt es mir recht wehmütig ins Herz. Ich möchte Dir noch einmal alles sagen, was wir zusammen gedacht und empfunden, wenn so in den Lehrjahren gewisse Momente eintraten. Du weißt schon, was ich meine. Da wir beide aber das eigen haben, daß, wenn der eine spricht, der andere das Maul nicht halten kann, so ist es wohl besser, ich schreibe wenigstens einiges davon auf, gleichsam als Ouvertüre, und Du kannst es denn manchmal lesen zu Deinem Nutz und Frommen. – Ach, lieber Johannes, wer kennt Dich besser als ich, wer hat so in Dein Inneres, ja aus Deinem Innern selbst herausgeblickt als ich? – Dafür glaube ich auch, daß Du mich vollkommen kennst und daß eben aus diesem Grunde unser Verhältnis immer leidlich war, wiewohl wir die verschiedensten Meinungen über uns wechselten, da wir uns manchmal außerordentlich weise, ja genial, dann aber wieder hinlänglich albern und tölpelhaft, ja auch was weniges dämisch dünkten. Sieh, teurer Skolar, indem ich in vorstehenden Perioden das Wörtlein »uns« gebraucht, kommt es mir vor, als hätte ich, in vornehmer Bescheidenheit den Plural brauchend, doch nur von mir allein im Singular gesprochen, ja als ob wir beide am Ende auch nur einer wären. Reißen wir uns von dieser tollen Einbildung los! Also noch einmal, lieber Johannes! – wer kennt Dich besser als ich, und wer vermag daher mit besserm Fug und Recht zu behaupten, daß Du jetzt diejenige Meisterschaft erlangt hast, welche nötig ist, um ein schickliches, gehöriges Lernen zu beginnen.

Was dazu hauptsächlich notwendig scheint, ist Dir wirklich eigen worden. Du hast nämlich Dein Hörorgan so geschärft, daß Du bisweilen die Stimme des in Deinem Innern versteckten Poeten (um mit Schubert zu reden) vernimmst und wirklich nicht glaubst, Du seist es nur, der gesprochen, sonst niemand. – In einer lauen Juliusnacht saß ich einsam auf der Moosbank in jener Jasminlaube, die Du kennst, da trat der stille, freundliche Jüngling, den wir Chrysostomus nennen, zu mir und erzählte aus seiner frühen Jugendzeit wunderbare Dinge. »Der kleine Garten meines Vaters«, so sprach er, »stieß an einen Wald voll Ton und Gesang. Jahraus, jahrein nistete dort eine Nachtigall auf dem alten herrlichen Baum, an dessen Fuß ein großer, mit allerlei wunderbaren Moosen und rötlichen Adern durchwachsener Stein lag. Es klang wohl recht fabelhaft, was mein Vater von diesem Stein erzählte. Vor vielen, vielen Jahren, hieß es, kam ein unbekannter, stattlicher Mann auf des Junkers Burg, seltsamlich gebildet und gekleidet. Jedem kam der Fremde sehr wunderlich vor, man konnte ihn nicht lange ohne inneres Grauen anblicken und dann doch nicht wieder das festgebannte Auge von ihm abwenden. Der Junker gewann ihn in kurzer Zeit sehr lieb, wiewohl er oft gestand, daß ihm in seiner Gegenwart sonderbar zumute würde und eiskalte Schauer ihn anwehten, wenn der Fremde beim vollen Becher von den vielen fernen, unbekannten Ländern und sonderbaren Menschen und Tieren erzähle, die ihm auf seinen weiten Wanderungen bekannt worden, und dann seine Sprache in ein wunderbares Tönen verhalle, in dem er ohne Worte unbekannte, geheimnisvolle Dinge verständlich ausspreche. – Keiner konnte sich von dem Fremden losreißen, ja nicht oft genug seine Erzählungen hören, die auf unbegreifliche Weise dunkles, gestaltloses Ahnen in Lichter, erkenntnisfähiger Form vor des Geistes Auge brachten. Sang nun der Fremde vollends zu seiner Laute in unbekannter Sprache allerlei wunderbar tönende Lieder, so wurden alle, die ihn hörten, wie von überirdischer Macht ergriffen, und es hieß, das könne


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