Tonbandarbeit
"Bach meets Techno"
Seminar: Apparative Musikpraxis
Seminarleiter: Prof. B.Enders
an der Universität Osnabrück
vorgelegt von:
Michael Puchbauer
LA Gy
Sonja Ihlo
LA GHS
1. Die künstlerische Idee
Da uns für unsere Tonbandarbeit große, künstlerische Freiheit gegeben wurde,
entschieden wir uns, bekannte Werke eines Komponisten darzustellen. Dies
entstand sicherlich auch vor dem pädagogischen Hintergrund, wie wir Schülern
der heutigen, von Technik und Computern bestimmten Zeit, Werke eines Komponisten
interessanter nahe bringen könnten. Daraus entstand die Idee, den Komponisten
mit einer Musikrichtung in Verbindung zu bringen, die den Großteil der
Schüler zur Zeit interessiert. Die künstlerische Idee und somit die thematische
Grundlage unserer Tonbandarbeit war die Zusammenführung bekannter Werke
eines bekannten Komponisten aus früherer Zeit mit einer heutigen, aktuellen
Musikrichtung.
Die Musik der 90er Jahre, die ja einen Großteil der Schüler prägt,
ist der Techno. Diese Musikrichtung zeichnet sich unter anderem durch einfache,
harmonische Strukturen in Form von Kadenzen aus. Da der Ursprung des akkordischen
und somit harmonischen Denkens aus dem Zeitalter des Barock stammt, haben
wir uns für den wohl bekanntesten Komponisten dieser Zeit, nämlich Johann
Sebastian Bach, entschieden.
Die Idee "Bach meets Techno" ist geboren.
Unser Techno der heutigen Zeit sollte eine Form aus der Zeit Bachs
erhalten. Die Symmetrie in der Johannes-Passion von Johann Sebastian Bach
brachte uns auf die Idee, den Techno nach dem Vorbild Bachs auch symmetrisch
anzuordnen. Bei Bach werden die einzelnen Teile innerhalb der Passion an
einem Mittelchoral gespiegelt. Er stellt den Mittelpunkt, das Herzstück
des Werkes dar. Die Teile kehren nun in umgekehrter Reihenfolge wieder,
jedoch nicht mit dem gleichen Text, sondern formal, rhythmisch und harrnonisch.
Unser Techno sollte auch einen zentralen Mittelteil bekommen, an dem wir
die anderen Teile spiegeln wollten. Lediglich die Übergänge zwischen den
einzelnen Teilen mußten durch die Spiegelung leicht verändert werden.
Der Techno selbst entstand durch eigene, kompositorische Ideen, während
wir die Werke Bachs original aus der "Konserve" sampeln wollten. Die Auswahl
der Werke fiel uns leicht, da wir uns ja auf die bekanntesten Werke beschränken
wollten. Aus den Werken wollten wir dann die bekanntesten Stellen zitieren,
um eine Reduzierung auf das Wesentliche zu erreichen. Durch die kurzen
Zitate ist der Wiedererkennungswert schon gegeben, den wir ja beim Hörer
erreichen wollen. Die prägnanten, wiedererkennbaren Motive aus Bachs bekanntesten
Werken unterstützen gleichzeitig den Charakter des Techno, nämlich die
kurzen Einwürfe von motivischem Material, und sie verlieren damit den Motiv-Charakter
und werden fast zu einem "Sound".
Wir entschieden uns für folgende Werke und deren motivische Zitate:
Toccata und Fuge d-Moll für Orgel, BWV 538: Takt 1, Zählzeit 1
und 2
Präludium und Fuge C-Dur für Klavier, BWV 846: Takt I
Weihnachtsoratorium, BWV 248 Chor: "Jauchzet": Takt 39
Chor: "Frohlocket": Takt 41 mit
Auftakt
Den 2. Satz "Air" aus der Orchestersuite Nr. A-Dur BWV 1068 wollten
wir ursprünglich auch in den Techno aufnehmen, aber es war technisch nicht
ohne ganz erheblichen Aufwand realisierbar, da erstens nicht genügend Speicherkapazität
vom Sammler her vorhanden war und zweitens gab es Probleme mit der Agogik,
die nicht zum starren Rhythmus des Techno paßte.
Der Techno zeichnet sich unter anderem durch einfache, harmonische
Strukturen in Form von Kadenzen aus. Es werden überwiegend die Kadenzformeln
"Tonika, Subdominante, Dominante, Tonika" in dieser Musik verwendet. Der
Ursprung des akkordischen und somit harmonischen Denkens stammt aus dem
Zeitalter des Barock, als, durch die in der Zeit entstehende Dur-Moll-Tonalität,
Kadenzen überhaupt erst neu entdeckt wurden. Obwohl sich in den folgenden
Epochen harmonisch viel geändert hat, bleibt doch größtenteils das harmonische
Kadenzgefüge erhalten und bestimmt heute noch die Harmonielehre. Man kann
sagen, die einfachen Kadenzformeln aus dem Zeitalter des Barock sind über
Jahrhunderte erhalten geblieben. Somit ist es uns auch möglich gewesen,
Bach mit dem Techno zu verbinden, da unsere ausgewählten Bach-Zitate harmonisch
durch ihre kadenziale Einfachheit zum harmonischen Gefüge unseres Techno
paßten. Aber im Techno geht es um noch mehr als bei Bach, nämlich daß es
nicht "nur harmonisch ist", sondern vor allen Dingen durch oder mit den
Harmonien die Effekte und Klänge in den Vordergrund treten. Die Klänge
haben Vorrang vor der Harmonik, selbst vor Dissonanzen. So ist es auch
ohne weiteres möglich, das "Jauchzet" in D-Dur in eine d-Moll Begleitung
einzubauen, ohne daß die dissonante Reibung auffällt oder stört.
Eine weitere Brücke, die wir von Bach zum Techno schlagen wollten,
ist die Verwendung eines historischen Instruments. Das Cembalo eignet sich
besonders dazu. Sein Klang ist als einziger historischer Klang eine Verbindung
zu den neuen, synthetischen Sounds. Allerdings haben wir ihn verfremdet,
denn das Cembalo erklingt eine Oktave tiefer in der Baß-Gruppe und ist
somit als ursprünglicher Cembalo-Klang kaum wieder zuerkennen.
Die Töne B-A-C-H durchstreifen den gesamten Techno und stellen noch
zusätzlich die kompositorische Idee Bachs dar, seinen Namen in Form von
Tönen in einigen seiner Werke zu verarbeiten. Dieses Zitat Bachs durchzieht
den Techno und dient auf diese Weise als kompositorisches Bindeglied zwischen
den Jahrhunderten. Die Töne B-A-C-H stellen gleich zu Beginn unseres Techno
den Bezug dar und werden hier melodiebildend. Sie tauchen während des gesamten
Verlaufs immer wieder als "Erinnerungsmotiv" auf. So ist das Bach-Zitat
auch im Teil "Jauchzet, frohlocket" als Nebenmelodie vorhanden. Durch das
Erscheinen der Töne B-A-C-H in einem techno-typischen Sound gliedert sich
das Zitat als scheinbar beliebige Techno-Melodie in den Techno ein.
Ein einziges Zitat in unserem Techno ist nicht von Bach. Es geht um
das C-Dur-Präludium, das den meisten Hörern nur in Verbindung mit dem "Ave
Maria" von Charles Gounod bekannt ist. Um den Wiedererkennungswert bei
den Hörern unseres Techno zu gewährleisten, haben wir uns entschieden,
Gounod für diesen Teil mit einzuspielen. Er stammt aber nicht wie Bach
aus der "Konserve", sondern wir haben ihn selbst eingespielt.
Da der Techno aber nicht nur instrumental ist, sollten noch Wortfetzen
wie "Who's Bach", "J.S.B." oder "J.S.B. was a great composer" als kurze
Einwürfe nicht fehlen. An solchen Stellen setzt im Techno in der Regel
der starre Baß und das Schlagzeug aus, wodurch die Regelmäßigkeit der Rhythmuslinie
unterbrochen wird. Dieses Merkmal des Techno haben wir auch für unsere
Komposition übernommen.
Ähnlich sieht es im Techno mit der Einleitung und dem Schluß aus. Hier
erklingen meist Akkorde, die lang ausgehalten werden, eine Stimme ist w
hören, und nach und nach werden die übrigen Instrumente hinzugeführt, bis
das Schlagzeug einsetzt und der eigentliche Techno beginnt. Wir entschieden
uns, die Einleitung ähnlich w gestalten und bedienten uns durch den Text
einer kleinen Einführung. Somit werden auch gleichzeitig die Information,
wann Bach lebte, und das Programm, was den Hörer bei unserem Techno erwartet,
auf wenigen Takten zusammengefaßt: "In the 18th century lives a man, who
was called J.S.B.". "This is the sound if Bach meets technology" !
Mit der Wahl der Form einer symmetrischen Spiegelung ähnlich der in
Bachs Johannes Passion haben sich für unseren Techno folgende Teile ergeben
(siehe Partitur):
A: Einleitung
B: Toccata d-Moll
C: Jauchzet, frohlocket
D: "Who's Bach / J.S.B. / J.S.B. was a great composer"
E: C-Dur-Präludium mit "Ave Maria" / Toccata d-Moll D': "Who's Bach
/ J.S.B. / J.S.B. was a great composer" C': Jauchzet, frohlocket
B': Toccata d-Moll
A': Schluß
2. Die technische Verwirklichung der Tonbandarbeit
2. 1. Vorüberlegungen
Als im Groben feststand, wie die Tonbandarbeit bzw. der Techno aussehen
sollte, ging es nun um die technische Realisierung. Um ein hohes Maß an
klanglicher Qualität beim späteren Endprodukt w erreichen, entschieden
wir uns für die Nutzung digitaler Verfahren und digital arbeitenden Gerätschaften.
Die beliebige Wiederholbarkeit von w verwendendem Material stellte mit
der Entscheidung für die digitale Technik kein Problem dar, da klar zu
sein schien, da sich vieles in der Tonbandarbeit aus einem spielerischen
Moment ergeben würde. Die häufige Verwendung von digitalen Daten birgt
aber im Gegensatz w analogen Verfahren keinen klanglichen Verlust bei zunehmender
Nutzung.
Aus der Eigenart des Techno, kurze und markante Motive immer wiederkehren
w lassen und eine ganz eigene Palette von Sounds zu benutzen, ergab sich
zwangsläufig die Verwendung des Samplers als einem Kerngerät der gesamten
Arbeit. Das Vorhandensein einiger techno-typischer Sounds in der Software
des Samplers erleichterte die Arbeit erheblich, zumal wir zwei Tage Arbeit
durch Hardwareprobleme verloren.
Das eigentliche Herz der Technik, die Steuerzentrale, stellte aber
ein Atari-Computer dar, der mit einem Cubase-Programm die Steuerung der
zur Verfügung stehenden Sounds und Motive überhaupt ermöglichte. Mit diesem
Mehrspurprogramm war es möglich, zu beliebiger Zeit eine annähernd beliebige
Anzahl von Tönen, Sounds und ganzen Motiven wm Erklingen zu bringen. Die
Möglichkeit, direkt in musikalische Strukturen eingreifen w können (erreicht
durch das Nicht-Vorhandensein eingefrorener, analoger oder digitaler Strukturen,
sondern lediglich durch Steuersignale), macht den Computer mit einem Sequenzerprogramm
gegenüber einer herkömmlichen Tonbandmaschine überlegen.
2.2. Die Arbeit
Zunächst mußten alle zur Komposition benötigten Geräte miteinander MIDI-mäßig
vernetzt werden. Als unverzichtbar entpuppte sich hierbei der MIDI Patcher/Mixer
(Roland A 880), der es ermöglichte, fünf Geräte miteinander kommunlzieren
zu lassen. Über die MIDI-Steuerung werden die Peripheriegeräte angesteuert,
und nicht stumm-geschaltete Kanäle geben den eingestellten Sound frei.
1. Ein Keyboard zum Einspielen von Melodien und wm Ansteuern gesampelter
Sounds. Auch die Drums wurden von hieraus zum Teil gespielt.
2. Der Atari mit dem Sequenzerprogramm, der die gespielten Melodien
und Drumpads in Form von Steuersignalen speichert und wieder abrufbar macht.
Dies ist jedoch nur ein kleiner Teil der Kunst dieses Programms. Falsche
Töne, Töne nach oder vor den gewünschten Zählzeiten lassen sich mühelos
korrigieren in einem dafür im Programm eingerichteten Editor. Drum-Loops
ließen sich sogar ganz am Bildschirm zusammenstellen.
3. Der Sampler stellte zum einen fertige Sounds zur Verfiigung, diente
auf diesem Wege als Voice-Bank, zum anderen ermöglichte er die Aufnahme
eigener Sounds bzw. ganzer musikalischer Abschnitte von CD. Die Namen der
vorgefi~ndenen Sounds sind so übernommen worden und sind in der Partitur
ersichtlich.
4. Der Canvas von Roland diente als Expander zur Bereitstellung fester,
nicht direkt veränderbarer Sounds, die lediglich über weitere Peripheriegeräte
bzw. interne Funkionen wie Chorus und Delay bearbeitbar sind.
5. Ein weiterer Canvas, der allein als Drum-Expander genutzt wurde.
Die Benutzung eines zweiten Canvas ermöglichte ein gezielteres Abmischen
der Sounds auf dem Mischpult.
Diese Geräteanordnung stellte zunächst das Hauptarbeitsgebiet dar,
wobei die tonerzeu genden Geräte (s.o.: 3.-5.) noch analog an einen Verstärker
bzw. Mischpult ange schlossen waren, um über zwei Boxen die Musik zum Klingen
zu bringen. Dazu diente ein Mischpult von TASCAM, mit dem die einzelnen
ankommenden Audiosignale nach träglich beeinflußt werden konnten (Höhen
und Tiefen, Hall).
Die folgende Abbildung (siehe Anhang) verdeutlicht noch einmal die
Verknüpfilng der Geräte und die Art des Signals bei der Verbindung: analog,
digital oder MIDI.
Die kompositorische Arbeit soll an dieser Stelle nicht mehr beschrieben
werden, sie ist bereits im ersten Abschnitt angesprochen worden (siehe
"künstlerische Idee").
2.3. Das Sampling
Da das Sampeln die musikalische Grundlage der Idee "Bach meets Techno"
war, soll im folgenden auf die Arbeit am Sampler (Roland S-760 Digital
Sampler) eingegangen wer den.
Zunächst wurden die ausgewählten, unserer Meinung nach signifikantesten
Stellen der drei Bach-Werke aufgenommen (gesampelt). Hierzu wurde ein CD-Player
mit dem Sampler so verbunden, daß direkt digitale Daten übertragen wurden.
Auf diese Weise fand kein Klangverlust statt.
Nach dem Einstellen der Samplezeit fand das Übertragen der Daten statt,
der Sample konnte am Bildschirm in Form einer komplexen Schwingung besehen
und bearbeitet werden. Hierzu gehörte unter anderem das Schneiden (cut)
auf die gewünschte Länge, das Strecken oder Kürzen auf die benötigte Geschwindigkeit
(time-stretching) und das Transponieren in die gewählte Haupttonart des
Techno (d-Moll).
Die gesprochenen Teile wurden per Micro über den Vocoder (EMS 2000)
in den Sampler eingegeben. Die Übertragung ist somit in analoger Weise
geschehen, der Sampler wandelte diese Daten in digitale um. Der Vocoder
diente in diesem Fall am Beginn und Ende der Arbeit als bearbeitendes Gerät,
im Mittelteil lediglich als Verstärker. Rückblickend hätte man an dieser
Stelle die gesprochenen Teile auch stereo aufnehmen können, dies ist jedoch
nicht geschehen.
2.4. Die Gesamtaufnahme
Nachdem die kompositorische Arbeit am Atari und den anderen Geräten beendet
war, zum Schluß Lautstärken und Panoramas eingestellt waren, ging es an
das Aufnehmen des fast fertigen Techno. Da einige Sounds nachträglich mit
zwei Hallgeräten bearbeitet werden sollten, ging das endgültige Audiosignal
vom TASCAM, in dem die Effektgeräte eingeschliffen wurden, zum Soundscape-Hard-Disk-Recording-System.
Dort wurde das an kommende Signal in digitaler Form auf einem Mehrspurprogramm
auf zwei Spuren auf genommen.
Erst jetzt wurden auf zwei weiteren Spuren die Anfangs- und Endsätze
des Techno ("In the 18th century lives a man, who was called J.S.B". "This
is the sound if Bach meets technology") der Komposition beigefügt. Dies
geschah über ein Microphon und ein weiteres Keyboard, welche an einen Vocoder
angeschlossen waren. Der Vocoder wiederum war mit dem Soundscape verbunden.
Nachdem diese Sätze an die jeweiligen Stellen gebracht worden sind, konnte
ein Mastertape auf einer DAT-Casette erstellt werden. Hier bei wurden die
digitalen Daten vom Soundlap auf das DAT-Band herübergeschoben.