durch aufwendigere Masken auch das Element des Typisierten anhaftet,
weisen vor allem die Füchse ein hohes Maß an Individualisierung auf, sie sind
beseelt.
Der Tier-Gestus konstituiert eine eigene – höchst artifizielle – Welt voller Emotionen,
Interessen und, v.a., ›guter‹ Moral. In dieser Welt des Kreatürlichen kommt die Idealität
von Moral zur Darstellung. Dadurch wird sie Gegenwelt zur Menschenwelt, der die
Natürlichkeit verloren gegangen ist, bzw. in der sie nur noch als Sehnsucht der
Menschen existiert. Darum herrscht in der Menschenwelt ›schlechte‹ Moral.
Begehren und Wünsche finden nur noch an ihrem Rand statt (die zumindest
anrüchige Verliebtheit der drei männlichen Hauptfiguren Förster, Lehrer und
Pfarrer in die Zigeunerin Terynka) oder werden sublimiert, die Sehnsucht nach
dem ›Wald‹ als Inbegriff der Naturkraft wird nur in alkoholisiertem Zustand
eingestanden. Felsenstein distanziert die Bühnenwelt durch den Tiergestus vom
Zuschauer und erzielt ein Mitgefühl, das der Zuschauer gleichzeitig für die Tierwelt
entwickelt, er schafft also keine ›heile Welt‹, sondern benutzt eben die Distanz dazu,
Aussagen über die Menschenwelt zu machen. Die Tiere agieren ehrlicher, ohne
Hintergedanken. Eine die Unmittelbarkeit der Tierwelt besonders verdeutlichende
Szene ist die Schilderung des Füchsleins an Reinicke, was es in der Försterei
erlebt hat. Das Füchslein spielt alle Vorgänge direkt vor, sie als Schauspieler
körperlich nochmals erlebend. Keine reflektierte Schilderung, sondern die direkte
Betroffenheit, nicht die zur Erinnerung verblasste Nacherzählung sondern der lebendige
Ausdruck des eigenen Gefühls erregt das Mitgefühl nicht nur beim Zuhörer
Reinicke.
Alle Vorgänge der Tierwelt scheinen nicht die Brutalität gesellschaftlichen Umgangs zu
haben, sondern sind als Naturnotwendigkeiten akzeptiert. Menschliche Umgangsformen
werden gespiegelt und dadurch karikiert, dass Tiere sich benehmen. Ein Beispiel: Die
›Schwangerschaft‹ des Füchslein verlangt eine sofortige ›Schnelltrauung ohne Aufgebot‹,
der anschließende höfisch anmutende Hochzeitstanz wird zum ironischen Spiel. Gerade
der Vergleich mit derselben Situation in der menschlichen Gesellschaft macht die Szene
sinnvoll, die Situation entbehrt im Tierwald jeder Kompliziertheit, mutet spielerisch und
unmittelbar an. Indem die Umgangsform zum Spiel wird, dem ein Moment kindlicher
Nachahmung innewohnt, wird die Härte, die damit in der Menschenwelt praktiziert
wird, bloßgestellt (Heirat oder Wohnungssuche sind in der Tierwelt nicht von
existenziellem Belang). Die Naturwelt wird so zum Spiegel, in dem der Mangel an
menschenfreundlicher Moral in der Menschenwelt erscheint, die Tiere handeln mit einer
›Kultur des Herzens‹, die den Menschen abhanden gekommen ist. Um dies zu
zeigen, versuchten Felsenstein und seine Darsteller einen Ausdrucks-Gestus zu
finden, der gleichzeitig artifiziell entlegen und unmittelbar verständlich sein
musste.
3.4.1.3 Die Menschenwelt
Die Menschenwelt ist durch zwei Spielorte charakterisiert, die Försterei und die Schänke.
Felsenstein zeigt die Försterei mittels eines langen Schwenks über den Hof,
wobei der größte Teil des Schwenks am Zaun entlang des Hofes verläuft. Die
eingezäunte, domestizierte Natur mit den Hühnern, der Hundehütte und dem Dackel
wird während der Verwandlung gezeigt. Der Spielort der Försterei ist einmal
gekennzeichnet durch die Konfrontation der dort lebenden Tiere – den dummen
Hühnern und der trostlosen Existenz des Dackels – mit dem lebendigen und
stolzen
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