- 82 -Homann, Rainer: Die Partitur als Regiebuch 
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Beginn der ›Hoffmann‹-Verfilmung. Wie sehr die Erinnerung an die vergangene Liebe Hoffmanns Seele erfüllt, so dass die Emotionen in seinem Inneren ihn zwingen, sie auszudrücken, verdeutlicht die Musik. Hoffmanns emotionale Spannung und Diskrepanz zwischen seinem Liebessehnen und seiner zynischen Verbitterung – konkretisiert in der Vision Klein Zacks – findet ihre klangliche Erscheinung in den zwei ›Welten‹ des »Klein-Zack«-Liedes. Dass auch der Übergang in die Romanze in dem Moment der Schilderung der Züge von Klein Zack geschieht, macht die psychologische Genauigkeit deutlich. Denn wer sonst als Stella kommt zum Vorschein, wenn Hoffmann nach den Äußerlichkeiten Klein Zacks, Gang und Haltung, in der dritten Strophe die Züge Klein Zacks besingen will. Die skurrile Abnormität der Klein-Zack-Figur korrespondiert mit dem Motiv des ›Trunkenbolds‹, den Hoffmann auf dem Weg vom Theater im ›Rinnstein‹ begegnet ist. Im Dialog vor dem Klein-Zack-Lied verbindet Hoffmann in seiner Beantwortung der Frage, was ihm begegnet sei, seine gescheiterte Liebe mit dieser außerhalb der Gesellschaft stehenden Figur: »Wer ist dir begegnet? – Die traurigste und süßeste Erinnerung an meine Jugend. Und dann ist mir da draußen vor der Tür im Rinnstein ein Trunkenbold begegnet, der hat mir Dust gemacht und Lust, zu schlafen in der Gosse, so wie er.« Der anschließenden Schilderung der Vorzüge bürgerlichen Glücks in behüteter Zweisamkeit entgegnet Hoffmann: »Ich aber will im Rinnstein schlafen, hörst Du? [. . . ] Damit ich nicht vergesse, wo ich bin, wenn mich der Traum von Glück und Liebe narrt.« Hier verbindet sich wiederum das Motiv des Rinnsteins mit dem des Liebes(un-)glücks. Die gleiche Konstellation unterliegt dem Klein-Zack-Lied. Hinter dem Fratzenhaften der Klein-Zack-Figur verbirgt sich Hoffmanns schmerzhafte Verarbeitung seiner Liebessehnsucht.

Auffällig an der szenischen Realisierung ist auch hier – wie schon bei der Analyse der Szenen aus dem II. Akt der ›Othello‹-Inszenierung Felsensteins – , dass der schwärmerische Ausbruch Hoffmanns ohne nennenswerte szenische Verrichtungen dargestellt wird. Im Gegenteil, Hans Nocker, der Darsteller des Hoffmann, starrt auf einem Stuhl sitzend ins Leere und steht dann langsam auf. Allein die Musik lässt Hoffmanns Liebesschmerz, seine Begeisterung für das Liebesgefühl und sein Sehnen nachempfinden. Indem der Zuschauer weiß, in welcher Situation sich Hoffmann befindet, erfährt die Musik die dafür nötige Konkretion, das Innerste Hoffmanns gewissermaßen auszusprechen.

3.3.1.2 Hoffmanns künstlerischer Verarbeitungsprozess

Es schließt sich ein Gespräch über die bevorstehende Verlobung dreier Anwesender – Nathanael, Wilhelm und Herrmann – an, in dem Hoffmanns Verbitterung der Liebe gegenüber zum Ausdruck kommt. Im Rahmen dieses Gespräches wird Hoffmann von Nathanael nach seiner Geliebten gefragt. Diese Frage löst eine melodramatische Unterlegung (Felsenstein, Nr. 8) von Hoffmanns Sprechtext aus. Es handelt sich hierbei um Akkordbrechungen in punktiertem Rhythmus unter liegenden Akkorden der hohen Bläser und Streicher. In dieser melodramatischen Anlage entwirft Hoffmann einen »Roman« über seine drei Frauen, den er beabsichtigt, als Antwort auf Nathanaels Frage zu erzählen. Die den Text überhöhenden Akkorde markieren eindeutig den dichtenden Hoffmann, in dem gerade das Kunstwerk entsteht, mit dem er seine Krise reflektierend überwinden wird. Durch diese musikalische


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