- 29 -Behrendt, Frauke: Handymusik 
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Beschreibung des technischen Aufbaus kann anhand der unten stehenden Skizze nachverfolgt werden.

Nicht alle Zuschauer des Konzerts waren aktiv am Konzertgeschehen beteiligt und durften ihr Mobiltelefon eingeschaltet lassen, sondern nur diejenigen Handybesitzer, die auf den 200 Plätzen direkt vor der Bühne saßen. Sie mussten sich an den beiden Tagen vor der Aufführung bei Mitarbeitern an Ständen registrieren lassen, um dann einen Sitzplatz zugewiesen zu bekommen. Dabei wurden ihre Telefonnummer, ihr Telefonmodell und ihr Klingelton zusammen mit der Platznummer in einer Datenbank gespeichert. Auf die Handys wurden dann per SMS neue Klingeltöne geladen. Für diesen Zweck wurden mehr als 100 Klingeltöne komponiert, die von trillernden Melodien bis zu rhythmischem Raunen reichten.32

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Mirapaul 2001
Wo das technisch nicht möglich war, wurden bestimmte vorhandene Klingeltöne eingestellt. Der Dirigent (Golan Levin) konnte auf alle 200 gespeicherten Handys direkt zugreifen, das heißt sie gezielt anrufen. Das geschah mit einem selbst entwickelten Programm, welches auf die Datenbank zugriff. Diese Software besitzt ein visuelles Interface in Form eines Rasters, das die Sitzordnung der Teilnehmenden repräsentiert. Für jede Person gibt es einen Kreis, der vom Dirigenten mit »virtueller Farbe« markiert werden kann. Jede Markierung löst einen Anruf bei diesem speziellen Telefon mit seinem gespeicherten Klingelton aus. Das bedeutet, dass jedes Handyklingeln von Levin ›von Hand‹ ausgelöst wird und es daher keinen vorprogrammierten Ablauf gibt. Die Anrufimpulse gehen vom Rechner an einen Linux-Server, der die Wählimpulse des Interface-Rechners in Telefonanrufe umwandelt. Dazu ist er mit einer Aculab Telefonkarte bestückt, die es erlaubt bis zu 60 Anrufe simultan zu tätigen. Der Server ist über zwei 2 MBit E1 Leitungen direkt mit dem ›Mobile Switching Center‹ des lokalen Mobilfunkanbieters (und Sponsors) verbunden. Vor Ort – in der Nähe des Konzerts – ist an diesen Switch ein (mobiler) Mobilfunksendemast angeschlossen, der die Anrufe an die Handys der Konzertteilnehmer sendet. Dieser Sender musste modifiziert werden, um die vielen parallelen Anrufe überhaupt verarbeiten zu können.

Im Folgenden wird der optische Teil des Aufbaus beschrieben: Über den in zehn Reihen á zwanzig Plätzen sitzenden Zuschauern war ein leistungsstarker Videobeamer angebracht, der das grafische Interface des Dirigenten auf die Teilnehmer projizierte, so dass jedes klingelnde Mobiltelefon und dessen Besitzer von einem weißen Spot sichtbar gemacht wurden. Zusätzlich trug jeder Teilnehmer ein kleines, rotes LED-Lämpchen, dass nur in der unmittelbaren Nähe eines aktiven Mobiltelefons zu leuchten beginnt. Diese optische Markierung der klingelnden Rasterelemente konnte vom gesamten Publikum auf einem sechs mal zwölf Meter großen Spiegel verfolgt werden, der oberhalb der Bühne im 45-Grad Winkel angebracht war. Die genannten kleinen LEDs leuchteten jeweils schon zwei Sekunden bevor ein Handy anfing zu klingeln – der weiße Spot der Projektion erschien jedoch erst mit einer halben Sekunde Verzögerung nach Beginn des Klingelns. Diese technisch bedingten Verzögerungen wurden – wie oft bei Kunst, die mit komplizierten technischem Aufbau arbeitet – von Levin positiv gedeutet und ins Konzept mit einbezogen. Hier in der


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