- 53 -Behrendt, Frauke: Handymusik 
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verlaufender Rucksackriemen oder einfach in die Hemdtasche. Heute ist das Handy meist so klein und selbstverständlich, dass es in der Hosentasche getragen wird. Das Mobiltelefon ist zwar bereits fast unsichtbar, gleichzeitig ist es aber ein wichtiges Statussymbol. Seine Sichtbarkeit ist wichtig, weil die jeweils neueste Technik einen hohen Prestigewert besitzt. Hier ist ein Widerspruch zwischen dem Wunsch nach immer unsichtbarerer Technik und dem sozio-ökonomischen Distinktionsstreben zu beobachten: eine Ambivalenz zwischen dem Zurschaustellen des Handys als Statussymbol, als technischem Fetisch und der fortschreitenden Unsichtbarwerdung der Technik.

Bisher hat es erst ein Gerät geschafft, uns so nahe zu kommen wie das Mobiltelefon: die Uhr. Vom Kirchturm herab hatte sie ihren Platz zunächst (angekettet) in der Tasche des Besitzers, um dann direkt auf die Haut, an das Handgelenk116

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Die Taschenuhr wurde 1762 von John Harrison erfunden, die erste Armbanduhr stellte Aviator Alberto Santos-Dumont im Jahr 1907 für Flieger vor. Vgl. Rhodes, Bradley: A brief history of wearable computing. Webseite MIT, http://www.media.mit.edu/wearables/lizzy/timeline.html (Stand 08.08.2003)
zu rücken.117
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Die Zeit ist uns also immer näher gerückt, von der Kirchtürmen an die Wände unserer Häuser, in unsere Taschen und schließlich direkt auf die Haut unserer Arme, die Zeit ist uns in den Körper eingeschrieben worden. Diese Funktion wurde vom Mobiltelefon assimiliert. Jetzt rückt uns die Telekommunikation zu Leibe, nach der Zeit wird uns der überwundene Raum in den Körper folgen.
Die zunächst mechanische Uhr wurde im Laufe der Jahrzehnte immer weiter entwickelt, wurde (zum Teil) digital und konnte Zusatzfunktionen aufnehmen (zum Beispiel Taschenrechner, Digitalkamera, PDA). Noch immer wird der – wie ich denke durch das Handy überholte – Traum einer omnipotenten, einer Dick Tracy118
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Der von Chester Gould in 1946 zum ersten mal gezeichnete Comicheld Dick Tracy trug ein zweikanaliges Videotelefon an seinem Handgelenk. Vgl. McHugh, Josh: Wrist-Top Revolution. in: wired 04.2003, S. 96 ff.
-Uhr geträumt. Digitalkameras werden in den Zeitmesser integriert,119
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Vgl. Wristcam Modell »Casio WQV-10-1er« [Vgl. http://www.casio-europe.com/de/ (Stand 08.08.2003)]
ganze PALMs120
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Fossil Wrist PDA with Palm OS 4.1 [Vgl. http://www.fossil.com (Stand 08.08.2003)]
wandern ans Handgelenk, und es gab auch schon Versuche das Handy von der Uhr assimilieren zu lassen, ganz im Sinne des genannten Comichelden. Es ist anzunehmen, dass die Entwicklung genau andersrum verlaufen wird und vielmehr das Mobiltelefon die Armbanduhr verschwinden lässt, denn wenn man sich unter jüngeren Leuten umschaut, sieht man fast niemanden mehr eine solche tragen.121
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eigene Beobachtung
Fragt man nach der Uhrzeit wir das Handy gezückt: wir erleben eine Renaissance der Taschenuhr. Auch Burkart nennt die Uhr als Vorläufer in der Tradition des Handys. In Anlehnung an Attali stellt er fest, dass »objects nomads«122
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Attali, Jacques, zitiert in: Burkart 2002, S.157
entstehen, weil sich Individualität und Mobilität gegenseitig steigern. Diese nomadischen Objekte fusionieren immer mehr mit unserem Körper, »angefangen vom Automobil, über Armbanduhr, Transistorradio und Walkman bis zum Körperhandy.«123
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Burkart 2002, S. 157


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